Als Prinz Harry und Meghan Markle sich am Samstag in Windsor das Jawort geben, feiern mehr als Hunderttausend Menschen auf den Straßen der Stadt. Obwohl Markle eine geschiedene Amerikanerin ist, ist sie wohl ein Glückgriff nicht nur für Prinz Harry, sondern für das gesamte britische Königshaus. Sie ist außerdem eine erfolgreiche Schauspielerin, hat reichlich Lebenserfahrung gesammelt, gilt als humanitäre und feministische Aktivistin. Sie wird also als junge, moderne, liberale und volksnahe, bodenständige Frau der Monarchie einen neuen Anstrich verleihen - an der Seite von Harry, dessen Unterstützung sie sich dabei sicher sein darf.

Die Briten haben die Hochzeit als willkommene Abwechslung in Zeiten von Brexit und Terrorangst gefeiert. Das Fest habe von den "nervenzehrenden Angelegenheiten der Weltpolitik" abgelenkt, schrieb etwa die Zeitung "The Telegraph" am Sonntag.

Moderne Ära

Viele Kommentatoren in Großbritannien waren sich einig, dass mit der Hochzeit von Harry und Meghan eine neue, modernere Ära für das Königshaus angebrochen sein könnte - hin zu mehr Offenheit und noch mehr sozialem Engagement. Dazu passte, dass Meghan später mit einem Ring an der Hand gesehen wurde, den einst Harrys Mutter Diana trug. Die 1997 bei einem Autounfall ums Leben gekommene Prinzessin Diana hatte das britische Königshaus mit ihrem Engagement für Aidskranke und Obdachlose gehörig umgekrempelt - und war damit zur "Königin der Herzen" avanciert. Ihr Ring am Finger von Meghan wurde auch als Bekenntnis des Paares zu ihrem Erbe verstanden.

Und britische Medien sahen in der für britische Verhältnisse ungewöhnlichen Predigt des US-Bischofs Michael Curry auch ein Statement des Paares. Curry hatte einen flammenden Appell für die verändernde Kraft der Liebe gehalten - und bei manchem Mitglied des britischen Hochadels für ungläubiges Staunen gesorgt. Normalerweise werden Predigten bei Gottesdiensten des Königshauses zurückhaltend und akademisch nüchtern vorgetragen. Die Botschaft Currys lasen manche als Absichtserklärung des Paares, mit Traditionen zu brechen.

"Zelebration des Schwarzseins"

Auch der starke Anteil an afroamerikanischen Elementen im Gottesdienst wurde als kraftvoller Schub in Richtung eines modernen Königshauses gewertet. Der "Observer" schrieb gar von einer "Zelebration des Schwarzseins". Dazu passte, dass viele prominente Gäste dunkler Hautfarbe eingeladen waren.

Kaum noch ein Thema nach der Hochzeit waren die Querelen um Meghans Familie. Meghan war von Prinz Charles (69) zum Altar geführt worden, nachdem ihr Vater wegen einer Herzerkrankung kurzfristig abgesagt hatte. Der 73-Jährige hatte zuvor mit gestellten Paparazzi-Fotos für einen Eklat gesorgt. Meghans Mutter Doria Ragland (61) war als einziges Familienmitglied der Braut bei der Feier dabei.

Camilla Herzogin von Cornwall nannte Meghan kürzlich einen "Verlust für die USA", auch die Herzen der anderen britische Blaublüter eroberte Meghan Markle im Sturm - obwohl der Hochadel des Königreichs den Ruf hat, rassistisch zu sein. Durch diese Hochzeit fand, so der allgemeine Tenor, eine längst fällige und wichtige Versöhnung und Vereinigung statt, auf Augenhöhe.

Acht weitere Eindrücke aus Windsor:

INTEGRATION: Für viele Menschen ist die Hochzeit von Prinz Harry und Meghan ein Ausdruck dafür, dass Paare unterschiedlicher Herkunft jetzt endgültig im Establishment angekommen sind. Das finden auch Mpho und David Pinto. Sie stammt aus dem afrikanischen Zwergstaat Lesotho, seine Eltern kommen aus Pakistan. Gemeinsam leben sie in Großbritannien "Wir unterstützen das glückliche Paar", sagt David strahlend. Auch für C.J. und Jimmy Lee, ein schwules Pärchen aus den USA, verkörpern Meghan und Harry eine neue Offenheit. Sie sind extra aus Dallas im Bundesstaat Texas angereist und haben sich für die Hochzeit mit Morning Coat und Zylinder in Schale geworfen.

HANG ZUM POMP: Vieles in Großbritannien wirkt schäbig und sanierungsbedürftig. Nicht aber Schloss Windsor, in dem die Feierlichkeiten stattfanden. Die Burganlage, in der die Queen oft wohnt, thront erhaben über dem Städtchen Windsor. Eine Fahrt nach der Hochzeit in einer offenen Kutsche, Gardesoldaten auf Pferden, mehr als 100.000 Zaungäste - das ist wie im Märchen. Auch die Schwestern Nina (26) und Laura (27) aus Kiel gefällt das alles. "Unsere Oma hat uns inspiriert", sagt Laura. "Oma hat immer die royalen Zeitschriften gelesen - und wir haben darin auch herumgeblättert."

IDENTITÄT: Tausende Menschen in Blau, Rot und Weiß. Die britische Identität ist das verbindende Element an diesem Tag. Überall sind Wimpel, Fahnen und Capes in den Farben der britischen Flagge. Es geht dabei aber weniger um Patriotismus als um ein Lebensgefühl. "Stolz, britisch zu sein", sagt Farkhanda Ahmed über sich selbst. Die Muslima aus Windsor hat sich ein Kopftuch mit Union-Jack-Muster aufgesetzt. Seit den frühen Morgenstunden harrt sie in Windsor aus, um sich einen guten Blick auf das Brautpaar zu sichern. Trinken wird sie den ganzen Tag trotz sommerlicher Temperaturen nichts, schließlich ist gerade Ramadan, der islamische Fastenmonat.

GENIESSEN: Royale Events sind für die Briten immer auch ein Anlass, sich ihrer Picknick-Leidenschaft hinzugeben. Campingstühle, aufblasbare Möbel, Sekt und Sandwiches gehören selbstverständlich dazu. Sich in schlechter Laune auf die Füße zu treten und um die besten Plätze zu streiten, ist so gar nicht die britische Art. Das stundenlange Warten am Long Walk auf das royale Hochzeitspaar wird zum großen Volksfest.

HUNDE: Das Faible der Briten zu Hunden und Hündchen ist kaum zu übertreffen. Sie werden eingekleidet, verwöhnt und vermenschlicht. Coco Watkins und Gaynor Baldwin haben es sich mit ihren "german schnauzers" auf dem Schoß auf Campingstühlen am Long Walk in Windsor bequem gemacht. Die Hündchen heißen Hugo und Neville. Dass die Tiere das stundenlange Warten mitmachen, wollen die beiden Damen mit Keksen sicherstellen.

NICHTS IST PEINLICH: Die Briten sind hervorragend darin, auch sich selbst bei solchen Festen auf die Schippe zu nehmen und möglichst aufzufallen. Zum Beispiel Chito Salazar-Grand, bekannt als Hut-Mann von London. Seit zehn Jahren begleitet er jedes royale Event mit einer von ihm selbst angefertigten Kopfbedeckung - für die Hochzeit von Harry und Meghan hat er eine Woche lang an einer Kreation mit Blüten, Fähnchen und Mini-Gardesoldaten gebastelt. Brautkleider mit Badelatschen tragen oder Anzüge, die komplett aus der Nationalflagge Union Jack bestehen - nichts ist den Besuchern peinlich in Windsor.

BITTE ZURÜCKBLEIBEN: Seit Monaten ist der Hochzeitstermin bekannt - aber die Anreise mit den öffentlichen Verkehrsmitteln ist trotzdem holprig. Typisch Großbritannien. Die Bahngleise sind marode, viele Züge fallen aus oder kommen verspätet. Das ist auch bei der Anreise zur Traumhochzeit nicht anders, obwohl die Polizei von vornherein mit mehr als 100.000 Besuchern rechnete. Etliche Gäste kommen auf den letzten Drücker - die guten Plätze sind längst weg. Auch typisch: Haltung bewahren und trotzdem feiern!

MONARCHIE: In Windsor waren die Superfans der Royals. Tatsächlich ist aber fast jedem zweiten Briten (46 Prozent) die Hochzeit schnuppe, wie eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov ergab. Vier Prozent der Briten dreht sich beim Gedanken an den Pomp sogar regelrecht der Magen um. Ebenso viele sind wütend. Und drei Prozent finden eine solche Hochzeit einfach nur peinlich. Monarchiegegner wollen das Königshaus abschaffen und Harry und Co am liebsten auf den Mond schießen. Insgesamt nimmt die Begeisterung für die Königsfamilie vom Süden nach Norden in Großbritannien ab.