Im Vorjahr wären Virologen beim Nennen ihres Berufs kaum ohne Erklärung davongekommen. Im Coronajahr ist der Virologe wohl der Berufsshootingstar des Jahres. Wobei es bei wenigen Jobs so eine Diskrepanz zwischen Rampenlicht und blendendem Laborlicht gibt. Zwar mögen führende Virologen innerhalb ihrer Disziplin zu Starehren kommen, doch die Popstarmechanismen bekommen sie nicht zu spüren, außer man heißt Christian Drosten – einer der führenden Virologen Deutschlands und Direktor am Institut für Virologie an der Berliner Charité. Schon früh tauchte sein Gesicht während dieser Pandemie in den Medien auf. Kein Wunder, für Drosten ist das Coronavirus kein Unbekannter, 2003 entschlüsselte er bereits das Sars-Virus. Sein medialer „Durchbruch“ gelang ihm mit dem Podcast „Coronavirus-Update“ von NDR Info. Seine Intention: die Komplexität einer Krankheit erklären, die innerhalb kürzester Zeit die ganze Welt in Geiselhaft nimmt. Und eines zeigt sich: Es ist Wissenschaft in Echtzeit, denn auch die versiertesten Wissenschaftler müssen das Virus erst verstehen. Ein Unding für eine Welt, die einen steten Nachrichtenfluss gewohnt ist. In der kaum Luft und Platz für wissenschaftliche Ausführungen ist, die sich nicht immer auf plakative Schlagzeilen zusammenschrumpfen lassen.

Nicht nur einmal musste der 48-Jährige in der bisherigen Pandemie ausrücken und Sachverhalte richtigstellen, die medial verkürzt wiedergegeben wurden. Der Paradegegner war die „Bild“-Zeitung, die ihm unterstellte, seine Vorstudie über eine Ansteckungsgefahr durch Kinder sei falsch. Dem Virologen wurde seitens der Zeitung nur eine Stunde eingeräumt, um eine Stellungnahme abzugeben. Vom Deutschen Presserat hagelte es im September fünf Rügen für diese Vorgehensweise.
Drosten, der auf einem Bauernhof im niedersächsischen Emsland aufgewachsen ist, lässt sich trotz dieser aufgeheizten Stimmung nicht in eine höhere Gangart drängen, auch wenn er längst durch seine Beratertätigkeit für die deutsche Bundesregierung ins Visier von Coronaleugnern geraten ist – Morddrohungen inklusive. Auch der „Virologenkrieg“ Christian Drosten gegen Hendrik Streeck ist mehr medialer Begeisterung für Konkurrenzsituationen geschuldet denn der Realität. Am 1. Oktober wurde der Vater eines Sohnes für seine Leistungen mit dem Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland ausgezeichnet.

Susanne Rakowitz

Weiterer Lichtblick im Februar

Regisseur Bong Joon Ho
Regisseur Bong Joon Ho © AP (Chris Pizzello)