Ein Geständnis vorweg: Ich bin süchtig. Nach Handy, Tablet, sozialen Netzwerken, Whatsapp, Farmville und wie die digitalen Zeiträuber alle heißen. Sehr zum Leidwesen meiner Umgebung, wohlgemerkt. Meine Liebsten sind mitunter schon mehr als genervt, denn Handy und Co. sind nicht nur immer mit dabei, sondern wollen Aufmerksamkeit. Und die nicht zu knapp.

Doch damit muss Schluss sein, eine Sucht verlangt Behandlung, – in diesem Fall „Digital Detox“ genannt. Eine solche wird im Stubaital als Mehrtagesprogramm angeboten. Ein Selbstversuch also. Während PC und Tablet gleich zu Hause bleiben – natürlich wurde vorher allen Leuten mitgeteilt, ich sei dieser Tage nicht mehr erreichbar, egal ob sie mich erreichen wollten oder nicht –, durfte das Handy mit.

Geteiltes Leid ist halbes Leid

Bei der Ankunft im Alpengasthof Schlickeralm dann ein – kleiner – Schock: Zimmer ohne Fernseher und Telefon. Dafür absolute Ruhe mitten in den Bergen, der Schlaf bereits in der ersten Nacht tief und erholsam. Bis der Wecker um vier Uhr klingelt: Sonnenaufgangsfrühstück bei der Sennjochhütte.

Die Handys werden zusammengelegt
Die Handys werden zusammengelegt © Mathelitsch

Die Handys aller „Detoxer“ werden dabei vor der atemberaubenden Kulisse zusammengelegt. Geteiltes Leid ist halbes Leid. Minuten später ertappe ich mich jedoch dabei, wie ich in meine Jackentasche greife, um mit dem Handy ein Foto zu machen und auf Facebook zu posten. Doch die Tasche ist leer. Was tue ich stattdessen? Den Sonnenaufgang genießen.

Ersatzdroge

Das reichhaltige Programm lässt die Zeit sowieso wie im Flug vergehen. Egal, ob die Auffahrt zum Stubaier Gletscher, der Besuch der Eisgrotte und des Grawa-Wasserfalls, eine rasante Abfahrt mit der 2,8 Kilometer langen und bis zu 42 km/h schnellen Miederer Sommerrodelbahn oder eine kilometerlange Wanderung inklusive „Kräuterhexe“ Sandra Schönherr, die einem die Fauna des Stubaitals erklärt, bis zur Bergstation der Serlesbahnen. Die Natur als Ersatzdroge sozusagen.

Selbstverantwortung

Wie sehr ich Handy und Co. vermisse? Kaum. Nur manchmal würde ich gerne wissen, wie es den Liebsten geht und was in der restlichen Welt passiert. Doch der Alltag hat nun einmal Auszeit. Ohne Ausnahme. „Es müssen ein Wille und Anreiz da sein, etwas zu ändern. Wir können nur unterstützen und Begleitung anbieten“, sagt Michael Gstrein vom TVB Stubai Tirol.

Nach drei Tagen darf ich mein Handy offiziell wieder einschalten. Ich hätte es aber auch länger ohne ausgehalten und mittlerweile lege ich hin und wieder zu Hause „Detox“-Stunden ein. Mir und meiner Umgebung zuliebe.

SANDRA MATHELITSCH