Die belgische Stadt Mechelen war einst das Machtzentrum der burgundischen Niederlande. Als Margarete von Österreich 1507 sie zu ihrer Residenz machte, folgten ihr Künstler, Denker und Philosophen. Noch heute spürt man dieses kreative Erbe. Bei jedem Schritt durch die Gassen Mechelens, im Herzen Flanderns, auf halber Strecke zwischen Brüssel und Antwerpen.

Auf sogenannten Meistertouren durch Flandern kann man den großen Künstlern vergangener Epochen quasi auf die Finger schauen und begegnet ihrer Kunst dort, wo sie einst entstanden ist: am Ort ihrer Bestimmung, nicht im Museum. Ein Beispiel? Das Altarbild „Die Anbetung der Weisen“ von Peter Paul Rubens in der Kirche St. Johannes.

Rubens: Der erste Influencer

Rubens war weit mehr als ein begnadeter Maler, der für viele Fürstenhäuser Europas arbeitete. Er war ein Superstar seiner Zeit – Diplomat, Unternehmer und Vater von acht Kindern. Sein Leben war erfüllt von Ruhm, Reisen und Tragödien. Seine Gemälde wurden zur Ausstattung ganzer Kirchen genutzt. Eines seiner bekanntesten Werke, „Der wunderbare Fischzug“, hängt heute in der Liebfrauenkirche jenseits der Dijle in Mechelen – ein dramatisches Triptychon, das wie durch ein Wunder den Zweiten Weltkrieg überstand.

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In Italien sog er die Kunst der Renaissance auf, bevor er sich in seiner Heimatstadt Antwerpen ein eigenes Palastatelier mit italienischem Flair errichtete. Ein neuartiger Showroom als Werkstatt und Inspirationsort sorgte mit den großzügigen Fenstern für genügend Lichteinfall und genügend Platz für seine großformatigen Bilder.

Antwerpen: Rubens‘ Bühne

Antwerpen war Rubens‘ Zuhause und seine Bühne. Hier arbeitete er, empfing Fürsten und Kardinäle. Und hier steht auch sein Wohnhaus, das derzeit renoviert wird. Gleich nebenan, im Museum, wird seine Geschichte lebendig. Der charismatische Stadtführer Geert verehrt Rubens seit Kindheitstagen: „Seine Werke sind wie Wasserfälle voller Bewegung“, schwärmt er. „Und voller Symbolik – nicht nur voller nackter Haut.“ Meisterstücke dieser Symbolik findet man in der Kathedrale Unserer Lieben Frau, die „Kreuzaufrichtung“ und die „Kreuzabnahme“.

Peter Paul Rubens war kein Einzelkämpfer. In seiner florierenden Werkstatt arbeiteten Talente wie Anthonis van Dyck. In der St.-Paulus-Kirche und der Jesuitenkirche St. Karl Borromäus zeugen lebendige Kompositionen und dynamische Szenen von seiner stilprägenden Kraft. Einige seiner Altargemälde sind heute im Kunsthistorischen Museum in Wien zu sehen.

Ein Abstecher lohnt sich auch zum Museum Plantin-Moretus, der ersten Druckerei mit Monopol auf Bibeln in fünf Sprachen. Rubens war eng mit dem Drucker Balthasar Moretus befreundet, ein weiteres Beispiel für sein weitreichendes Netzwerk.

Mechelen: Wo Kunst Geschichte atmet

Nur wenige Kilometer von Mechelen entfernt steht Rubens Landsitz in Elewijt, den er 1635 kaufte und im Stil der flämischen Renaissance umgestalten ließ. Zurück in Mechelen lohnt sich der Aufstieg auf den 97 Meter hohen St.-Romboutsturm. 538 Stufen führen vorbei an monumentalen Glockenspielen bis zum Ausblick über die Stadt. Bei klarem Wetter sieht man bis zum Atomium in Brüssel.

In der St.-Rombouts-Kathedrale selbst erwartet einen ein wahres Feuerwerk flämischer Meisterkunst: Werke von Rubens’ Zeitgenossen wie Anthonis van Dyck, Michel Coxcie (der „flämische Raffael“), Gaspard de Crayer und Abraham Janssens. Höhepunkt ist der Hauptaltar von Lucas Faydherbe.

Mit Karl V. auf ein Bier

Wer nach so viel Kunst Appetit bekommt, sollte sich auf die kulinarische Route „Mmm Mechelen“ begeben. Die Vleeshalle im Stadtzentrum bietet Genuss an Dutzenden Ständen, von belgischer Hausmannskost bis zu internationalen Spezialitäten. Ein würdiger Abschluss der Tour ist die Brauerei Het Anker, wo einst das Lieblingsbier von Kaiser Karl V. gebraut wurde. Heute schmeckt das Bier kräftig, würzig und ein wenig königlich. Ein Proost auf Rubens.