Gelegentlich landen auchSchadenersatzklagenunter Kindernvor Gericht. Im konkreten Fall wurde ein Neunjährigervon einem Achtjährigen am Auge verletzt. Zwischen den beiden war es schon im Vorfeld immer wieder zu Konflikten gekommen. „Blutig“ wurde die Auseinandersetzung, als sich der Neunjährige in Begleitung von vier gleichaltrigen Freunden auf einer Wiese dem jüngeren Buben näherte. Zwei aus der Gruppe gestikulierten dabei mit Stecken in der Hand, um den Jüngeren „einzuschüchtern“. Dieser fühlte sich bedroht und warf einen Ast in Richtung seiner Gegner. Das ging leider richtig ins Auge. Vor Gericht musste nun die Frage geklärt werden, ob und in welchem Ausmaß der Achtjährige für die Körperverletzung haftet. Eines gleich vorweg: Der OGH war auf der Seite des Beschuldigten. Eine Selbstverständlichkeit war das allerdings nicht. Eine Haftung der Eltern war im vorliegenden Fall übrigens ausgeschlossen, weil ihnen keine Verletzung der Aufsichtspflicht vorgeworfen werden konnte.

„Nach dem Gesetz wird ein Kind erst mit der Vollendung seines 14. Lebensjahres deliktsfähig und damit durch eigenes Handeln schadenersatzpflichtig“, sagt der Kärntner Rechtsanwalt Bernd Peck, den wir gebeten haben, den Fall für uns rechtlich einzuordnen. Zuvor seien Unmündige deliktsunfähig und könnten schadenersatzrechtlich grundsätzlich nicht belangt werden. Unter Umständen könne es aber aufgrund einer Ausnahmeregelung im Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch (ABGB) doch zu einer Haftung des Unmündigen kommen.

Um festzustellen, ob auf diesem Weg eine Haftung in Betracht kommt, musste der OGH, wie Peck betont, prüfen, ob dem Achtjährigen ein konkretes Verschulden für sein Verhalten vorgeworfen werden kann. Die wesentliche Frage: Hatte das Kind die nötige Einsichtsfähigkeit, das Unrecht seiner Tat in der zu beurteilenden Situation zu erkennen? Das Höchstgericht verneinte eine diesbezügliche Haftung und führte dazu aus, dass einem achtjährigen Kind zwar typischerweise bewusst sein müsse, dass es mit einem Ast andere verletzen kann. Allerdings wurde berücksichtigt, dass der Beklagte das Zusammentreffen mit der ihm alters-und zahlenmäßig überlegenen Gruppe als „bedrohend“ empfand und sein Alter weit unter der Grenze der Deliktsfähigkeit von 14 Jahren liegt. Es konnte außerdem nicht festgestellt werden, ob er den Ast absichtlich gegen den Kläger warf und wie groß und schwer dieser war.

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„Zu beachten ist, dass grundsätzlich demjenigen die Beweislast obliegt, der sich auf die Ausnahmeregelung des ABGB zum Haftungsrecht stützt. In diesem Fall hätte also der verletzte Neunjährige beweisen müssen, dass ihn der Achtjährige tatsächlich verletzen wollte“ erklärt Peck.

Grundsätzlich ist die Haftung von unmündigen Minderjährigen, also Kindern unter 14 Jahren, ein Ausnahmefall, wie der Jurist betont. Allerdings könne man auch nicht generell sagen, dass ein Kind ein anderes Kind ohne Folgen attackieren kann. In der Praxis entscheiden, wie Peck erklärt, folgende zwei Punkte über Haftung oder Nicht-Haftung von Kindern:

  1. Einsichtsfähigkeit. Konnte das Kind trotz seiner prinzipiellen Deliktsunfähigkeit das Unrecht seiner Tat einsehen? „Bei einem vierjährigen Kind, das einen Rodelunfall verursacht hat, wurde kein Verschulden angenommen; bei einem Zwölfjährigen, der einen Gleichaltrigen gegen einen abfahrenden Bus gestoßen hat, hingegen schon,“ nennt Peck zwei Beispiele.

  2. Vermögensunterschiede. Es kommt darauf an, ob der Beklagte (etwa durch eine bestehende Haftpflichtversicherung) den Schaden leichter tragen kann als der Kläger. „Wenn, ja, wird im Sinne einer Haftung entschieden.“ Im gegenständlichen Fall lehnte die Versicherung des Kindes übrigens die Schadensdeckung ab und der Kläger ließ sich auf keinen Rechtsstreit mit dem Versicherer ein.