Kind sein ist nicht leicht: Das kindliche Immunsystem muss sich in den ersten Lebensjahren erst entwickeln und wird durch den Kontakt zur Umwelt geschult und aufgebaut. Das bedeutet aber auch: Kinder sind häufig krank.

Sie haben im Durchschnitt bis zu zehn fieberhafte Erkrankungen pro Jahr. Dass dabei aber nur in seltenen Fällen ein Antibiotikum notwendig ist, zeigte Kinderfacharzt Volker Strenger von der Grazer Universitäts-Kinderklinik auf: In den meisten Fällen handelt es sich nämlich um Erkrankungen, die durch Viren ausgelöst werden und gegen die ein Antibiotikum wirkungslos ist. Strenger hielt einen Vortrag bei der diesjährigen Apotheker-Fortbildungstagung in Schladming, an der heuer 600 Apotheker aus ganz Österreich teilnehmen.

Falsche Verschreibung führt zu Resistenzen

Fieber, Hautausschlag und andere unspezifische Beschwerden stehen bei Babys, Kleinkindern und Schulkindern bei solchen Erkrankungen im Vordergrund. Gerade was die Hautausschläge betrifft, ist zunächst an virale Ursachen zu denken: Masern, Röteln, Ringelröteln, Dreitagesfieber, Feuchtblattern oder die Hand-Fuß-Munderkrankung. Eine bakterielle Infektion mit Hautausschlag ist hingegen der Scharlach.

Bis auf den Scharlach wären in allen diesen Fällen Antibiotika wirkungslos. Eine nicht angezeigte Verschreibung und Einnahme ist daher sinnlos, fördert bloß die Ausbildung von Resistenzen: Das bedeutet, dass Antibiotika ihre Wirkung auf Bakterien verlieren, da dieses Resistenzmechanismen entwickeln. 

"So schmal wie möglich"

Besonders schnell erfolgte diese Resistenz-Entwicklung bei Breitband-Antibiotika, die gleichzeitig gegen verschiedenste Bakterien wirken und aus falsch verstandener Sicherheit besonders häufig verschrieben werden. "So breit wie nötig, so schmal wie möglich", sollte bei der Auswahl der Mittel die Devise lauten, sagte der Experte. Und: "Je kleiner das Wissen des Arztes, desto breiter das Antibiotikum, das er verschreibt."

"Die meisten Infektionen der oberen Atemwege sind bei Kindern viral bedingt", sagt Strenger. Rotznasen, eine Kehlkopfentzündung oder eine Bronchitis: Die Auslöser dafür sind meist Viren, keine Bakterien. Auch die eitrige Mandelentzündung (Angina) sei nur zu 15 bis 30 Prozent durch Bakterien (Streptokokken) verursacht, bei denen Antibiotika helfen könnten. "Je kleiner das Kind, desto eher ist es ein Virus", sei daher ein Leitsatz für die Behandlung.

Ohrenschmerzen: Heilt oft von selbst

Ein klassisches Beispiel einer Krankheit, bei der ehemals viel zu häufig Antibiotika verschrieben wurden, ist die Mittelohrentzündung. "Auch die Otitis media ist zumeist viral bedingt. Sie heilt in 80 Prozent der Fälle binnen zwei Tagen von selbst ab", sagte Strenger. Schmerz- und Fiebersenkende Mittel sind hier zumeist die bessere Hilfe.

Gut zwei Drittel der Lungenentzündungen bei Kindern werden ebenfalls durch Viren verursacht, was auch in diesen Fällen Antibiotika nicht wirken lässt.

Stellt sich heraus, dass eine Erkrankung, für die ein Antibiotikum verschrieben wurde, doch eine virale Ursache hat, sollte das Antibiotikum sofort abgesetzt werden.

Der Grundsatz "Ein Antibiotikum immer zu Ende nehmen" gelte hier jedenfalls nicht - dieser Satz bezieht sich auch nur auf die verschriebene Dosis und nicht auf die Packungsgröße eines Medikaments. "Das Antibiotikum solange einnehmen, wie es der Arzt verordnet hat - und nicht, bis die Packung oder das Fläschchen leer ist", sagt Strenger.

Das Mikrobiom leidet

Werden Antibiotika zu häufig und gegen die falschen Erkrankungen verschrieben, führt das nicht nur dazu, dass Resistenzen entstehen. "Antibiotika beeinflussen auch das kindliche Mikrobiom", sagt Strenger und weißt auf die Bedeutung unserer winziger Mitbewohner im ganzen Körper hin.

Das Mikrobiom steht in Zusammenhang mit Auto-Immunerkrankungen wie der Schuppenflechte (Psoriasis), chronischen Darmerkrankungen, aber auch Übergewicht und psychische Erkrankungen können durch ein "krankes" Mikrobiom beeinflusst werden.