„Die Situation in Bezug auf Milchkühe ist nach wie vor außer Kontrolle in den USA, die Situation ist bedenklich“, sagt Florian Krammer. Das Vogelgrippevirus H5N1 kursiert in den USA in Rinderherden, aber auch andere Tierpopulationen sind betroffen. Immer wieder schafft es das Virus auch Menschen anzustecken, also von Tieren auf den Menschen überzuspringen. Dass ein Mensch einen weiteren angesteckt hat, diesen Fall gibt es bislang noch nicht.

„Wir haben aber mittlerweile zwei Fälle mit schwer erkrankten Menschen“, sagt der Virologe und Impfstoffforscher, der an der Icahn School of Medicine in New York tätig ist und seit Anfang Jänner 2025 das neu geschaffene Ignaz-Semmelweis-Institut für Infektionsforschung, das an der MedUni Wien angesiedelt ist, leitet (siehe Faktenbox unten). Eine der beiden schwer erkrankten Patienten war eine 65-jährige Person aus Louisiana, die infolge der Infektion gestorben ist.

Wie immun sind wir gegen H5N1?

Eine Frage, die Krammer und sein Team am neu geschaffenen Institut versuchen zu beantworten: Wie geschützt sind Menschen, wenn sie sich mit H5N1 infizieren? „Wir haben in den beiden schweren Fällen gesehen, dass es gewisse Sequenzänderungen im Genom des Virus gibt, nun gilt es herauszufinden, was diese Änderungen bedeuten und wie gut das Virus an humane Rezeptoren binden kann“, erklärt der Steirer. Rezeptoren sind Stellen, an die ein Virus andocken kann, um diese Zelle zu infizieren – die Eingangstür für das Virus quasi.

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ABD0002_20240323 - WIEN - ÖSTERREICH: Virologe Florian Krammer am Donnerstag, 21. März 2024, im Rahmen eines Interviews mit der APA - Austria Presse Agentur, in Wien. - FOTO: APA/EVA MANHART
Florian Krammer forscht in Wien und New York. © APA / Eva Manhart

Um bei diesem Bild zu bleiben: Noch tut sich H5N1 schwer, diese Eingangstür in Menschen zu öffnen. Eine Vermutung ist auch, dass wir durch andere Influenzaviren, die schon unter uns Menschen zirkulieren, eine Kreuzimmunität haben und durch diese die Erkrankung abgeschwächt wird. „Dass es diese Kreuzimmunität gibt, kann man annehmen. Welche Auswirkungen diese haben kann, ist aber noch eine ganz andere Frage, die wir klären müssen“, sagt Krammer.

Es gibt auch einen Versuch im Tiermodell, den Krammer und sein Team mit Forschenden der Emory University durchgeführt haben. Frettchen wurden mit einem saisonalen Influenzavirus (H1N1) infiziert, danach dann mit H5N1. „Es zeigte sich, dass sich in diesen Frettchen sehr wenig H5N1-Virus vermehren konnte, sie wurden nicht besonders krank.“ Weniger gut erging es den Kontrollfrettchen, also jenen, die zuvor nicht mit H1N1 infiziert wurden – sie verstarben. Allerdings, und das ist wichtig zu betonen, Daten aus Tiermodellen sind nicht eins zu eins auf den Menschen umzulegen.

Es gibt schon Impfungen gegen H5N1

Sollte H5N1 sich unter Menschen, ohne tierischen Zwischenwirt, verbreiten, hätten wir aber mehr Möglichkeiten, die Erkrankung zu bekämpfen, als das bei Sars-CoV-2 der Fall war. Zum einen gibt es schon Impfstoffe gegen H5N1. Diese präpandemischen Vakzine werden in der EU auch schon eingesetzt, etwa in Finnland. Sie sind gedacht für exponierte Personen, etwa Tierärzte, oder Mitarbeiter von Geflügelbetrieben. Österreich war eines von 15 EU-Ländern, die sich an einer gemeinsamen Bestellung eines solchen Impfstoffs 2024 beteiligt haben. 12.000 Dosen davon sind bereits in Österreich eingetroffen, heißt es aus dem Gesundheitsministerium gegenüber der Kleinen Zeitung.

Im Falle des Falles könnten diese Impfstoffe noch genauer auf die jeweilige kursierende Variante angepasst werden. „Meine Erwartung ist, sollte es zu einer H5-Pandemie kommen, dass man innerhalb von drei bis vier Monaten einen Impfstoff hätte“, sagt Krammer. Denn mit der Anpassung, Herstellung und auch Zulassung von Influenzaimpfstoffen gibt es mittlerweile langjährige Erfahrungswerte und etablierte Abläufe. Zudem gibt es auch antivirale Medikamente, die im Falle einer Erkrankung eingesetzt werden können. Hier ist die Frage eher, welche Anzahl und Dosen im Ernstfall zur Verfügung stehen. „Die Situation ist also eine andere als zu Beginn der Coronavirus-Pandemie.“

Aktuell wird H5N1 von Fachleuten weltweit beobachtet. Vorsicht ist laut Krammer geboten, wenn man einen toten oder kranken Vogel in der Natur entdeckt – etwa wenn man mit dem Hund spazieren geht. „Wenn der Hund mit dem Vogel in Berührung kommt, kann es zu einer Ansteckung kommen“, rät Krammer zur Vorsicht.