"Unsere Nachbarin hat sich einen Hahn für ihre drei Hühner angeschafft“, erzählt unsere Leserin, die in einem Dorf mit landwirtschaftlicher Nutzung wohnt. „Im Sommer beginnt das Tier um drei Uhr früh zu krähen – nur 10 Meter von unserem Schlafzimmer entfernt“, sagt die Frau. Erträglich sei das nur, wenn Hühner und Hahn nachts im Stall eingeschlossen sind. „Wenn unsere Nachbarin nicht daheim ist, haben ihre Kinder den Auftrag, die Tiere abends einzusperren, vergessen aber häufig darauf.“ Jetzt fragt sie sich: „Gibt es gesetzliche Vorgaben zur Hühnerhaltung und zur Ausgestaltung eines Stalls?“

Die Rechtsanwältin Elisa Florina Ozegovic aus Klagenfurt sagt dazu: „Grundsätzlich können Grundstückseigentümer ihren Nachbarn die von dessen Grundstück ausgehenden Einwirkungen durch Abwässer, Rauch, Gase, Wärme, Geruch, Geräusch, Erschütterung und Ähnliches untersagen, wenn sie das nach örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß überschreiten und die ortsübliche Benutzung des Grundstücks wesentlich beeinträchtigen.“ Das regle Paragraf 364, Absatz 2 des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches. Unsere Leserin könne sich prinzipiell zwar nicht gegen den Hühnerstall an sich wehren, wohl aber gegen die Lärm- und Geruchsbelästigung. Das setze aber voraus, dass die Beeinträchtigung sowohl ortsunüblich als auch unzumutbar ist.

„Der Begriff ,ortsüblich’ ist nicht im Sinne einer politischen Gemeinde zu verstehen, es ist auch nicht auf das beeinträchtigte Grundstück allein abzustellen. Entscheidend sind die Lage des beeinträchtigten Grundstückes zu jenem, von dem die Störung ausgeht sowie die Verhältnisse in der unmittelbaren Umgebung beider Liegenschaften.“
In ländlichen Gebieten sei bei der Haltung von Federvieh in der Regel von Ortsüblichkeit auszugehen, nicht aber in städtischen Wohngebieten“, sagt die Juristin und ergänzt: „Bei Ortsüblichkeit wird gleichzeitig auch von Zumutbarkeit ausgegangen.“

Wie der OGH entschied

Der Oberste Gerichtshof hat bereits einige Male in ähnlichen Fällen entschieden. Ozegovic: „Im Jahr 2017 fiel die Entscheidung zugunsten des lärmgeplagten Nachbarn aus. Dies aber nur, weil im konkreten Anlassfall etwa 50 Hühner und Hähne sowie mehrere Gänse in einem Wohngebiet an einem Badesee so gehalten wurden, dass die Tiere sowohl durch den Zaun als auch über den See auf die Liegenschaften der Nachbarn gelangen konnten. Das führte nicht nur zu Lärm-, sondern auch massiver Geruchsbelästigung: Tierkot und Federn waren überall verteilt, auch auf den Terrassen der Nachbarn. Da sich der Vorfall nicht im ländlichen Gebiet ereignete, sondern im Wohngebiet, das ausschließlich zu Erholungszwecken genutzt wurde und die Errichtung von frei stehenden Nebengebäuden für landwirtschaftliche Zwecke überdies ausdrücklich verboten war, wurde in diesem konkreten Einzelfall den lärm- und geruchsbelästigten Nachbarn Recht gegeben.“

Was das für den Einzelfall bedeutet

Für unsere Leserin heißt das nun: „Leider haben Sie in einem Dorf mit landwirtschaftlicher Nutzung kaum eine Möglichkeit, Ihren Nachbarn die Hühnerhaltung zu untersagen.“ Die Gemeinde komme in der Regel nur dann ins Spiel, wenn beispielsweise eine Baugenehmigung für einen Hühnerstall oder dergleichen zu erteilen ist. Behördliche Auflagen für das Abdunkeln und Versperren von Hühnerställen seien nicht vorgesehen. Ozegovic: „Anders als bei der zitierten Entscheidung des Obersten Gerichtshofes aus dem Jahr 2017 werden die von Ihnen geschilderten Beeinträchtigungen durch den Hahn, der gelegentlich nicht über Nacht eingesperrt wird und daher laut hörbar kräht, bedauerlicherweise wohl hinzunehmen sein.“

Lieber ohne Gericht

Der genaue Ausgang eines Rechtsstreites vor Gericht könne freilich nie vorausgesagt werden. „Hier kommt es immer auf den Einzelfall an.“ Die dringende Empfehlung der Rechtsanwältin an unsere Leserin: „Versuchen Sie das Problem zu lösen, indem sie mit Ihrer Nachbarin Kontakt aufnehmen und sie bitten, dafür zu sorgen, dass die Tiere über Nacht konsequent eingesperrt werden und der Hühnerstall entsprechend isoliert wird.“