„Kunst muss unter die Leute gebracht werden“, ist das Motto im Greith Haus. Wie hat sich die Pandemie auf Ihr Haus ausgewirkt?
ISABELLA HOLZMANN: Im Jahr 2020 haben sich die Zeitfenster, in denen wir veranstalten durften, gut zu unseren Plänen gefügt, so dass wir nicht ganz so viel verschieben oder absagen mussten. Wir ergänzten das Programm allerdings mit kurzfristig umsetzbaren Veranstaltungen und einem intensiveren Vermittlungsprogramm für die Sommerausstellung von Adel Dauood. Am bittersten ist wohl, dass wir das Jubiläumsfest anlässlich 20 Jahre Greith Haus nicht durchführen konnten. Wir feiern jetzt eben 22 Jahre Greith Haus im Frühjahr 2022. Dass grenzüberschreitende Vorhaben auf Eis liegen, nagt am Elan.

Und aktuell?
HOLZMANN: Die Konzerte, Filme und Theateraufführungen der letzten Wochen konnten natürlich nicht stattfinden. Auf der anderen Seite öffnete sich das Greith Haus erstmals auch im Winter für eine Ausstellung. Das half die Beziehung zum Publikum aufrechtzuhalten.

Bis 1. Mai läuft die Ausstellung „Versunkene Welt“ über den lokalen Fotografen Franz Fauth – kommen denn die Leute trotz FFP2-Maskenpflicht und Abstandsregel?
HOLZMANN: Franz Fauth war ein Pionier der Fotografie, der in St. Peter im Sulmtal gelebt hat, also in unserer Nähe. Und er war auch sonst als Musiker und Motorfan eine illustre Persönlichkeit. Es ist eine Freude zu erkennen, wie sehr die Menschen - und nicht nur die aus der näheren Umgebung - sich auf seine Arbeiten einlassen. Wir begrüßten unlängst den 1000. Besucher, ein schöner Erfolg in schwierigen Zeiten.

Das Publikum ist loyal?
HOLZMANN: Schon bei den im Herbst durchgeführten Programmpunkten spürte ich eine große Dankbarkeit und eine neue Intensität in der Auseinandersetzung. Trotz halbgefüllter Räume, verdeckter Gesichter und fehlender Spritzer. Damit habe ich nicht gerechnet.

In Ihrer Programmvorschau des Hauses finden sich im April und Mai Abende mit den Strottern, und Aniada a Noar, ein Special zu Wolfgang Bauer, ein Kabarettabend mit Florian Klenk und Florian Scheuba an. Sind Sie wirklich so zuversichtlich?
HOLZMANN: Aktuell leben wir mit der Aussicht auf Lockdown-Verschärfung als Damoklesschwert: Was wird denn aus dem Programm? Alles bis Mitte Mai ist bereits verschoben. Die Veranstaltungen bis Ende Juni sind so gewählt, dass sie auch im Freien stattfinden könnten, dafür haben wir Pläne. Für die große Sommerausstellung, die heuer Gunter Damisch gewidmet ist, bin ich sehr optimistisch. Jedenfalls haben wir vor, flexibel auf die jeweiligen Rahmenbedingungen zu reagieren und umzusetzen was geht. Als Veranstalter haben wir auch eine Verantwortung gegenüber den Künstlerinnen und Künstlern, die wohl die Leidtragendsten sind.

Mürbt das ständige Nicht-wissen-wie-und-wann-es-weiter-geht?HOLZMANN: Schilcher hilft.

Das Greith Haus stellt sich selbst ins „Zentrum der Peripherie“: Ist der Standort im ländlichen Raum jetzt ein Nachteil?
HOLZMANN: Die Möglichkeit einen Ausstellungsbesuch mit einer kleinen Wanderung zu verbinden bedeutet eher einen Vorteil.

Muss man jetzt als Kulturveranstalter also Zusatznutzen anbieten?
HOLZMANN: Ich denke, dass Kulturveranstaltungen sehr wohl mit anderen Erfahrungen verbunden werden können. Ich halte dieses Zusammenwirken auch für wichtig, dafür darf sich die Kultur nicht zu gut sein. Naturerfahrung wie bei uns am Land ist ja auch bereichernd für das Publikum - und in Zeiten der Pandemie besonders wertvoll.

Sie haben kaum Aktivität ins Netz verlagert. Was war dafür der Grund?
HOLZMANN: Nicht alles Streamen ist sinnvoll. Der Bezug zum Raum, die Dynamik einer Bewegung, der Zauber eines Objektes - das alles lässt sich nicht so einfach ins Digitale übersiedeln. Und erfordert wenn, dann große Professionalität, die nötige Technik und viel Mitarbeiterstunden. Zudem stehen digitale Angebote dem Publikum gewöhnlich kostenlos zur Verfügung und bringen keine Einnahmen Das alles ist nur für große Institutionen leistbar. Zur Ausstellung haben wir jedoch zusätzliche Online-Vermittlungsangebote entwickelt, die auch gut angenommen wurden. In diesen Bereichen werden wir weiterlernen.

War der Lockdown für das Haus nutzbar?
HOLZMANN: Wir arbeiten an einer Rundumerneuerung des CIs und einer neuen Website. Auch nützen wir die Zeit, neue Kooperationen anzubahnen und Kontakte zu im Bezirk ansässigen Kunstschaffenden zu knüpfen, die zwar international renommiert aber bisdato von der regionalen Kulturlandschaft nicht berücksichtigt wurden. Aktivitäten, die mit Beginn der Sommerausstellung auch von der Öffentlichkeit wahrnehmbar sein werden.

Viele Aktive des Kunst- und Kulturbetriebs, der sich selbst als hochrelevant begreift, fühlen sich in der Pandemie politisch ins Eck gestellt. Wie sehen Sie das?
HOLZMANN: Ich trage die Einschränkungen überzeugt mit, halte Masken für eine Unannehmlichkeit und Impfen für die beste Erfindung der Medizingeschichte. Wir Kulturveranstalter*innen planten umsichtig, teilten unser Publikum in Sektoren in unterschiedlichen Farben mit Einbahnsystemen, desinfizierten die Häuser von den Klaviertasten bis zum Aschenbecher, alles gewissenhaft mitgetragen vom Publikum. Meines Wissens entstanden bei Veranstaltungen keine Cluster. Und doch sind wir die ersten, die geschlossen werden und die letzten, die wieder öffnen dürfen.

Warum reagiert keiner auf diesen oft artikulierten Defekt?
HOLZMANN: Vielleicht waren wir zu flexibel und verständnisvoll. Eine klare, mutige Kommunikation und schnell reagierende Verantwortliche hätten uns Kulturschaffenden enorme Aufwände erspart. Es schmerzt auch zu erkennen, dass ein Lobbying für den Kultursektor fehlt, nämlich eines, das alle Sparten von der freien Szene über Festivals bis zur Volkskultur mitdenkt .

Was ist Ihre Erfahrung mit den Hilfspaketen der öffentlichen Hand?
HOLZMANN: Schlussendlich haben sich die Finanzen dank der Unterstützung der öffentlichen Hand und des Verständnisses von Fördergebern gefügt. Die langen Zeiten zwischen den Ankündigungen der Unterstützungen bei Pressekonferenzen und den verlässlichen Verordnungen waren belastend, Unterstützungen wurden erst im Nachhinein gewährt. Zu planen war eine große Verantwortung für Häuser mit kleineren Budgets. Kultureinrichtungen mit höherem Eigenfinanzierungsanteil sind zudem stärker von den Folgen der Einschränkungen betroffen. Je größer die Einnahmen durch Tickets und Sponsoring, desto schwieriger sind die Ausfälle auszugleichen.

Ihr Wunsch an die Politik?
HOLZMANN: Ich wünsche mir dringend mehr steirische Expertise in den Gremien des Bundes. Unter 72 Beiräten des Ministeriums entdecke ich 2 Vertreter aus der Steiermark. Für die kommenden Monate ist eine schnelle, unbürokratische Ermöglichung von Open Air-Bühnen sehr hilfreich, um den Kultursektor lebendig zu halten. Kreativität und Phantasie sind die besten Voraussetzungen um Lösungen zu finden, sprecht mit uns!

Wie wird sich Ihre Arbeit durch Corona ändern? Rechnen Sie mit bleibenden Einschnitten im Kunst- und Kulturbetrieb?
HOLZMANN: Neue digitale Möglichkeiten werden sich zur sinnvollen Ergänzung von Kulturangeboten entwickeln: Formate, die weit über das bloße Streamen hinausgehen, und weiterführende Impulse liefern. Hier mahnt die Krise auch Versäumnisse ein. Die Frage nach nachhaltigen Einschnitten traue ich mich nicht zu beurteilen. Federn lassen könnten viele kleinere, vielleicht auch regionale Vereine, die aufgrund ihres großen Anteils an Ehrenamtlichkeit und der geringen Digitalisierung ihre beständige Arbeit nun länger unterbrechen müssen.