Wann, wenn nicht zu Halloween, können Hexen, Vampire und diverse andere Untote so tun, als wäre die Welt einen Tag lang in allerbester Ordnung. 24 Stunden purer Alltag und keine Sekunde lang muss man Angst davor haben, dass man ungut aus der Rolle fällt. Agatha Harkness hingegen, die fällt irgendwie permanent aus der Rolle: Als tendenziell schlecht gelaunte Polizei-Ermittlerin, ist sie alles andere als Everybody's Darling. Als Hexe, die sie eigentlich ist, übrigens auch nicht. Wie man von der Hexe zur Polizistin wird, ist auch schnell erklärt, durch einen Zauber, was sonst. Bevor Sie jetzt den Absprung wagen, sollte man eines erwähnen – ganz so einfach ist das nicht: Wir befinden uns im Marvel Cinematic Universe (MCU), dem Spielplatz der Superhelden, aus dem man generell schwer wieder herauskommt, weil die Welten, ihre Heldinnen und Helden gerne ineinandergreifen und verschwimmen. Wie jene von Wanda Maximoff alias Scarlet Witch (Elizabeth Olsen) und Agatha Harkness (Kathryn Hahn) – zwei Hexen und allerbeste Lieblingsfeindinnen. Mit „WandaVision“ erhielt Maximoff ihre eigene Serie, Harkness begeisterte darin als schrullige Hausfrau. Mit „Agatha All Along“ dehnt sich das MCU also noch weiter aus. Morgen, pünktlich zu Halloween, geht die Serie über Agatha Harkness auf Disney+ ins Finale.
Dem Mauskonzern gelingt hier neuerlich, was schon mit der Figur „Loki“ gut geklappt hat – im Superheldenuniversum einen Antihelden zu konstruieren. Agatha Harkness hat in der Serie ihre Kräfte verloren und muss sich, mit einem obskuren Gothic-Teenager an ihrer Seite, und ein paar zsammgfangten Hexen auf den Hexenpfad begeben. Lauschige Wallfahrt wird das keine, eine launige Gruselpartie aber sehr wohl. Die Serie filetiert das Prinzip Teamwork mit der ultrascharfen Klinge: Das Hexengrüppchen kann jene Aufgaben, die ihnen am Pfad gestellt werden, nur im Teamwork gewinnen, aber Alleingänge, Tarnen und Täuschen sind die treuen Begleiter der Serie, die auch vor Gruppensingsang und 1970er-Jahre-Hippie-Einlagen nicht zurückschreckt. Dass das alles miteinander harmoniert, ist weniger einem Hauch von Magie zu verdanken, sondern der Hauptprotagonistin Kathryn Hahn, die diesen ambivalenten Charakter der Agatha Harkness mit Bravour umsetzt.
Zumeist ist sie es, die die gern beschworene Schwesternschaft mit viel Zynismus crasht und sie als Zweckgemeinschaft wieder auf den Boden knallen lässt, bevor sich allzu viel Harmonie breitmacht. Die Annahme, dass es sich bei Agatha um eine besonders bösartige Hexe handelt, die wäre grundfalsch. Die Figur changiert gekonnt zwischen dem Hunger nach Macht, den notwendigen Strategien, um sie zu erlangen und dem inneren Kampf, gegen einen emotional-moralischen Kompass, der immer mal wieder dazwischenfunkt. Das alles wird nicht bierernst verhandelt, sondern als krude Mischung aus Grusel und schwarzem Humor beschwingt durch den Reißwolf gedreht und elegant serviert.
Hinzu kommt, es ist ein weibliches Universum, das hier expandiert. Gut und Böse und alles zwischendrin, wabert hier durch, während die Geister der Hexen aus Salem die Verfolgung aufnehmen. Mittendrin durchschreitet jedes Mitglied des Hexenzirkels das ganz persönliche Jammertal. Bodenständigkeit statt Superheldentum, das ist eine erfrischende Abwechslung. Wie auch das Motto von Agatha Harkness: „Ich entreiße den Unwürdigen ihre Macht. Das ist mein Ding.“