„Karriere, Leben, Glück – So sehe ich Österreich und die Welt.“ Die war für Eva Dichand vor sechs Wochen noch derart in Ordnung, dass sich ein dickes Magazin mit diesem Titel in den Entnahmeboxen von „Heute“ stapelte. 96 Seiten zum 50. Geburtstag der Herausgeberin von Österreichs größtem Gratisblatt. Im Zentrum ein Gespräch, das Conny Bischofberger, die Star-Interviewerin der „Krone“ geführt hat. Eine Antwort daraus wirkt heute besonders bemerkenswert: „Ich denke, die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft wird alles daran setzen, dass Kurz angeklagt wird, sonst würden sie sich ja lächerlich machen. Man sollte hundert Leute mehr dort hinsetzen, statt jeden Monat eine neue Sau durchs Land zu treiben. Es müsste auch viel mehr Datenschutz geben. Dass in Österreich private Textmessages an die Öffentlichkeit gehen, ist ein Wahnsinn. Die sollen Hausdurchsuchungen machen und Handys kassieren, die sollen die Leute anklagen und von mir aus auch verurteilen. Aber diese extreme Stimmungsmache ist ganz schlecht für unser Land.“

Im Visier der WKStA

Ostern ist die Hausdurchsuchung bei „Heute“ schon zehn Tage vorbei und neben Eva auch ihr Mann Christoph Dichand (58) als Herausgeber der „Krone“ im Visier der WKStA. Statt einer Sau wird Österreichs prominentestes Verlegerpaar von allen Konkurrenzmedien und auf Social-Media-Kanälen durchs Land getrieben. Das rührt nicht nur daher, dass die beiden das Sagen bei Österreichs Tagblättern mit der größten und drittstärksten Reichweite haben (auf Platz zwei ist die Kleine Zeitung). Das liegt vor allem an den geradezu konträr wirkenden Persönlichkeiten und der Geschichte ihrer Medien.

Dabei hatte alles so vielversprechend angefangen: Die Hochzeit mit Christoph 2002 „war das Beste, was ich je in meinem Leben gemacht habe“, sagte die als Eva Kriebernegg wie ihr Schwiegervater in Graz geborene Ex-Investmentbankerin später dem „Trend“. Damals war Hans Dichand († 2010) bereits 81 und immer noch in Gründerlaune. Der frühere Chefredakteur der Kleinen Zeitung und 1959 Wiedererwecker der „Kronen Zeitung“ hatte soeben den „U-Express“ etabliert – ein Gratis-Tagblatt für die öffentlichen Verkehrsmittel in Wien. Sehr zum Verdruss seiner Mitgesellschafter in der „Krone“. Also stellte „der Alte“ die schrille Postille 2004 wieder ein.

Nur wenige Monate später erschien erstmals „Heute“, dessen genaue Entstehungsgeschichte ebenso unklar ist wie jene der „Krone“ 45 Jahre davor. Jedenfalls wurde Wolfgang Jansky dort Geschäftsführer, der zuvor Pressesprecher des damaligen Wiener Wohnbaustadtrats und späteren Bundeskanzlers Werner Faymann war. Wenig später stieß Eva Dichand erst als Herausgeberin, dann als Co in der wirtschaftlichen Leitung hinzu. Chefredakteur war wie beim „U-Express“ jener Richard Schmitt, der später zur „Krone“ ging, bis er diese infolge der Ibiza-Affäre verlassen musste.

"Der Schwiegervati sagt manchmal: Das habt ihr gut gemacht"

Welch Wohlwollen diese Konstruktion besonders genoss, zeigte sich 2007 bei einem Treffen der Landespressereferenten in der Wiener Hofburg. Eva Dichand, die sich mit ausgeprägtem Geschäftssinn im Nu Respekt in der Männerwelt des österreichischen Medienmanagements verschafft hatte, war dort eine der beiden externen Vortragenden (und ich der andere). Viel mehr als heute legte sie offiziell Wert auf eine klare Trennung zur „Krone“, mit der sie beruflich nichts zu tun habe. Wer anderes behauptete, musste sogar mit einer Klage rechnen. Doch in dieser kleinen Runde entfuhr ihr, wie sehr es sie freut, dass „der Schwiegervati manchmal sagt: Das habt ihr gut gemacht.“ Er erlebte dann gerade noch die Veröffentlichung der Media-Analyse (MA) 2009, die zeigte, wie gut sie es gemacht hatte: eine halbe Million Leser, bei der ersten Erhebung auf Anhieb fast so stark wie die „Krone“ in Wien, an der „Heute“ schon im Jahr danach nachhaltig vorbeizog. Sie ist dort erst laut der soeben präsentierten MA 2022 wieder an der Spitze gelandet.

Benko ist der ungeliebte Miteigentümer

Eva Dichand hat 2018 ihre Gesellschafter-Mehrheit an die heutige TX Group verkauft, neben Ringier das größte private Schweizer Medienhaus. Ende 2022 übertrug sie ihre persönlichen Anteile am Digitalauftritt einem Unternehmen in Liechtenstein – der Alta GmbH. Laut dem Handelsregister „Moneyhouse“ sind „452 weitere aktive Firmen an der gleichen Adresse eingetragen.“ Offenbar eine weitere Stiftungskonstruktion. Denn im Geburtstagsinterview sagt sie: „Ich halte an Print und Online weiterhin je 25 Prozent.“ Christoph Dichand hingegen gehören wie Schwester, Bruder und Mutter 12,5 Prozent der „Krone“. Die andere Hälfte hält die Funke Mediengruppe. Sie ist in Essen beheimatet – wie der Warenhauskonzern Galerie Kaufhof Karstadt aus der Signa-Gruppe von René Benko. 2018 hat das Unternehmen des Tiroler Immobilienmagnaten 49 Prozent an der „Krone“-Beteiligung von Funke übernommen. Mit dem klaren Wunsch, diese Hälfte komplett zu erwerben. Seitdem ist Benko ein Intimfeind für die Dichands, die ihn das auch über ihre Zeitungen spüren lassen.

Die beiden – Menschen, nicht Zeitungen – könnten kaum unterschiedlicher sein. Er ist öffentlich fast nicht präsent. Wenn doch, dann meist in ihrer Begleitung. Offiziell auch Chefredakteur, gilt vor allem das Sonntagsmagazin „Krone bunt“ als seine Spielwiese. Das führt zur Unterschätzung seiner Macht. Von Management bis Redaktion fällt keine wichtige Entscheidung ohne Bedachtnahme auf Christoph Dichand – auch wenn er seinen Heiligenstädter Büroblick über Wien im 16. Stock des „Krone“-Hochhauses selten genießt. Sie hingegen mag durchaus Rampenlicht. Die Vorsitzende des Wiener MedUni-Rats ist auch stellvertretende Aufsichtsrätin der Albertina und – wie ihr Schwiegervater – leidenschaftliche Kunstsammlerin. Eine Homestory im Magazin des Auktionshauses Christie’s trägt den Titel „Eva Dichand: Making Headlines“. Das schaffte sie nie besser als heute. Auf Twitter agiert sie für 10.000 Follower und teilte Karfreitag einen Tweet über den Papst – von einem Mitarbeiter des „Standard“. Der hatte soeben berichtet, dass René Benko wieder mit Sebastian Kurz unterwegs sei. Diese Meldung teilte Eva Dichand nicht.