Da staunten die Besucher eines Spätis in Berlin nicht schlecht: Vergangenen Samstag stand hinter der Theke eines der beliebten Greißler-Geschäfte niemand Geringerer als Jérôme Boateng, Fußballspieler bei Bayern München. Dass der Innenverteidiger neuerdings Zusatzjobs zu verrichten hat, ist bei seinem Salär eher unwahrscheinlich, vielmehr ging der 30-Jährige in die Offensive: Boateng ist Kurator und Mentor eines Magazins, das künftig sechs Mal jährlich erscheinen soll. Wer an Fußball denkt, hat sich selbst schon ins Abseits gestellt, denn Sport findet man in „BOA“ wenig bis gar nicht, außer man definiert Shoppen als neue Spielart urbaner Sportlichkeit.

Es ist schon einen bisschen paradox, aber passt zur Zeit: Endlich brauchen genervte Kids nicht mehr die Augen überdrehen, wenn sich irgendjemand über 40 nach der Bedeutung von „diesem Instagram“ erkundigt. Jetzt reicht ein Printmagazin, um einen Social-Media-Kanal zu erklären. Jérôme Boateng nennt das: meinen Club. Wer ist dort willkommen? „Menschen mit Stil, die etwas zu sagen haben, die mich prägen, begeistern, inspirieren und auch nachdenklich machen“, so der 30-Jährige im Vorwort. Geworden ist es ein Hochglanzmagazin, das die Essenz der jungen urbanen, globalen Lebenswelt abbildet: Individualität, Diversität, Geschichten von Aufsteigern und Aussteigern, von Hypes, Hip-Hop und vor allem von Fashion. Es ist ein Lifestyle, der mit all seinen unendlichen Weiten auf Instagram seine Heimat gefunden hat.



Boateng hat einige aus dieser Welt in seinem Magazin versammelt, den Stream angehalten. Anders sein, sich im schnelllebigen Netz hervorheben – warum also nicht das komplette Gegenteil davon machen? Das wäre dann wohl ein Printmagazin. In dem tummelt sich Influencer-Superstar Caro Daur neben den „4 Blocks“-Stars Kida Ramadan und Veysel Gelin. Man folgt den Spuren von Rapper Shindy, dem Sprayer-Kollektiv „1UP“ und Koch-Guerilleros in Los Angeles. Doch das Magazin ist weit davon entfernt, ausschließlich ein Bling-Bling-Heft zu sein.

"BOA" von Jérôme Boateng
"BOA" von Jérôme Boateng © Gruner + Jahr

Boateng gibt sich auch politisch, etwa im Gespräch mit Herbert Grönemeyer, in dem beide die schönen und hässlichen Seiten Deutschlands ausloten. Vor allem die hässlichen Seiten sind dem Sohn einer Deutschen und eines Ghanaers nicht fremd: Nicht nur einmal wurde er als Kind auf dem Fußballplatz von den Eltern anderer Kinder beschimpft. Sein Plädoyer für Vielfalt und Toleranz zieht sich durch das Heft. Vor allem in Sachen Diversität legt „BOA“ einiges vor. Aber letztlich ist das Heft vor allem auch ein perfektes Werbeumfeld für alle jene, die direkt in das Herz eines Hypebeasts, eines Trendsetters, treffen wollen – und das wollen viele, aber wissen nur selten, wie es geht.

Hat mit Roc Nation ein mächtiges Tool geschaffen: Jay-Z	AP
Hat mit Roc Nation ein mächtiges Tool geschaffen: Jay-Z AP © (c) AP (Matt Rourke)

Sich selbst zur globalen Marke machen, das hat Jérôme Boateng bei einem Großen gelernt: Seit 2015 ist der Fußballer bei „Roc Nation“ unter Vertrag, der Agentur von Rapper Jay-Z. Boateng befindet sich dort in guter Gesellschaft, auch die Popstars Rihanna und Shakira nehmen das „Komplettservice“ in Anspruch. Für Boateng heißt das: auch abseits des Spielfeldes zur globalen Marke zu werden. Das Magazin „BOA“ ist eines der Tools. Auch so kann eine Karriere in die Verlängerung gehen. Und ein Golden Goal am Ende? Ausgeschlossen ist das nicht.