Sein Vater, sagt Christopher Rothko, fühle sich "hier recht wohl in diesen Galerien". Das Kunsthistorische Museum (KHM) zeigt ab 12. März die erste Mark Rothko-Retrospektive in Österreich. Seine abstrakten Farbflächen sind Ikonen der US-Malerei, verweigern sich der Deutung, und enthalten doch ein klares "Echo" der Kulturgeschichte, wie am Montag bei einer Pressekonferenz betont wurde.

Von den Antiken Griechenlands und Roms über die Gemälde eines Tintoretto oder Vermeer - Rothko (1903-1970) vertiefte sich in die europäische Kunstgeschichte in Büchern, Ausstellungen und auf seinen vier Europa-Reisen. "Seine Eindrücke spiegeln sich ganz direkt in seinen produktivsten Arbeitsphasen", so Kurator Jasper Sharp. In 46 Werken bietet die Ausstellung einen Überblick über seine gesamte Laufbahn - von den figurativen Anfängen der 1930er-Jahre, in denen seine Faszination für die Antike nahezu direkt ablesbar ist, bis zu den monumentalen, überlagerten Farbflächen der 50er und 60er.

Dass es sich aufgrund der "explosionsartigen Wertsteigerung" dieser Gemälde um Exponate handelt, die auszuleihen einem logistischen und versicherungstechnischen Kraftakt gleichkommt, versteht sich von selbst. Das Bild, das das kleine Ausstellungsbooklet ziert, "Red, White and Brown" aus 1957, wurde als Leihgabe des Kunstmuseums Basel "mehrmals abgesagt", erzählte Sharp. Schließlich sei man mit einer Wiener Sachertorte zwecks Überzeugungsarbeit angerückt.

Mark Rothko vor dem Werk „No. 7“,1960, (Foto: Regina Bogat zugeschrieben)
Mark Rothko vor dem Werk „No. 7“,1960, (Foto: Regina Bogat zugeschrieben) © 2005 Kate Rothko Prizel & Christopher Rothko

In Wien war Rothko selbst übrigens nie - die Hauptwerke des KHM dürfte er in den 50er Jahren aber in einer Ausstellung in New York gesehen haben, ebenso wie seine Kollegen Jackson Pollock oder Joseph Cornell. Das moderne und zeitgenössische Ausstellungsprogramm des Hauses - auch Cornell wurde hier schon im Zusammenhang mit der Kunstkammer gezeigt - sei stets dem Ziel verpflichtet, die eigene Sammlung "aus dem Blick der Gegenwart zu hinterfragen", so KHM-Generaldirektorin Sabine Haag. Würde man stattdessen auf Quote oder auf Blockbuster setzen, müsste die Rothko-Schau anders aussehen.

Tatsächlich setzt die chronologisch aufgebaute Ausstellung nicht nur auf die überwältigende lebensechte Präsenz sattsam bekannter Bilder, sondern versucht, Spuren zu legen zu Rothkos Verarbeitung seiner künstlerischen Ahnen und Urahnen. Das funktioniert vor allem über das Booklet, weil man Rothkos Glaubenssatz, dass "die am besten artikulierte Deutung seiner Werke absolute Stille ist", so Sharp, soweit wie möglich respektiert und auf Saaltexte fast durchgehend verzichtet hat. Umso stärker wirken die enormen Flächen, die nicht im direkten Dialog mit den Werken der Gemäldegalerie, sondern in eigenen Räumen gehängt sind. Ein ganzer Saal ist den "Seagram Murals" (1958/59) gewidmet, eine Reihe von Wandbildern, die als Auftragsarbeit für den Seagram-Wolkenkratzer in New York unmittelbar nach seiner Rückkehr aus Europa entstanden, ehe Rothko sich von dem Auftrag zurückzog.

Christopher Rothko und Sabine Haag, (Bildrecht: 1998 Kate Rothko Prizel & Christopher Rothko)
Christopher Rothko und Sabine Haag, (Bildrecht: 1998 Kate Rothko Prizel & Christopher Rothko) © KHM-Museumsverband

"Die Ausstellung soll zweierlei: Einen Dialog schaffen zwischen Rothko und dem, womit er sich beschäftigt hat. Und sie soll ihn so klar und deutlich sprechen lassen, wie möglich", erklärte Christopher Rothko, der in die Ausstellung ebenso eingebunden war, wie seine Schwester Kate. Für die Besucher ergeben sich daraus mehrere Lesarten der Schau. Sie funktioniert als dichte, ohne Redundanzen auskommende Einführung in den etwa 850 Werke umfassenden Kosmos des Malers ebenso wie als kunsthistorische Detektivarbeit, bei der viel Hintergrund und Hintersinn gefragt ist. Rothko schrieb kein Tagebuch und zeichnete für seine Recherchen nichts auf. "Er verbrachte mehr Zeit damit, die leere Leinwand anzusehen, als sie zu füllen", so Sharp. Wenn er im Metropolitan Museum stundenlang einen Alten Meister studierte, kopierte er danach nicht einzelne Details. "Alles drang durch seine ganz individuellen Filter", erklärte sein Sohn.

Er wollte seine Werke nicht kontextualisiert sehen durch seine Person, seine Recherchen, seine Deutungen. Er entkam der Schublade des "Abstrakten Expressionismus", zu dessen Hauptvertretern er für die Kunstgeschichtsschreiber zählt, auf vielen Seitenpfaden. Beide Begriffe werfen in seiner vollständig betrachteten Laufbahn Probleme auf. Und auch durch das Narrativ der Depression, seines Selbstmordes, durch das wir seine letzte Werkphase unweigerlich wahrnehmen, ist Erklärung und Rätsel zugleich: Den Abschluss der Ausstellung bildet eine Reihe von frohgemuten, pastelligen Arbeiten aus seinen letzten Lebenswochen. "Eine der großen unbeantworteten Fragen", so Kurator Sharp.