Seit einem Jahr hat Hamburg ja ein neues Flaggschiff: die Elbphilharmonie. Ein aufsehenerregendes Konzerthaus – nicht nur, weil die Bauzeit um sieben Jahre überschritten wurde und die Kosten von 77 Millionen auf 865 Millionen Euro explodierten.

Die „Elphi“ ist ein funkelnder Solitär, aber nur eines der vielen architektonischen Juwele, die sich die reiche Hansestadt in der näheren Zukunft noch leisten will. Denn in der sogenannten HafenCity rund um die berühmte Speicherstadt, die den weltgrößten historischen Lagerkomplex bildet, läuft seit 2001 das umfangreichste innerstädtische Stadtentwicklungsprojekt Europas.

In dieses ist auch Szyszkowitz- Kowalski + Partner mit eingebunden. Das Grazer Büro wurde 2011 zu einem städtebaulichen Wettbewerb geladen und erreichte den 2. Platz. Beim nachfolgenden architektonischen Bewerb 2012 ging es um die Realisierung von drei Wasserhäuser-Paaren im Baakenhafen im Südosten der HafenCity. Es gab drei Gewinner: das Büro des Pritzker-Preisträgers Shigeru Ban aus Tokio, das renommierte Kollektiv Studio Gang aus Chicago sowie der Entwurf von Szyszkowitz-Kowalski, dessen „poetische Gebäudestruktur“ nicht nur die Jury lobte.

Besuch im Büro von Karla Kowalski in der Grazer Elisabethstraße. Nachdem sie und Michael Szyszkowitz bei Behnisch & Partner an den Olympiabauten für München 1972 mitgeplant hatten, wuchsen die beiden zu einer unverwechselbaren Marke. Sie waren „die Unzertrennlichen“. Bis ihr Mann vor knapp zwei Jahren überraschend und allzu früh verstarb. Seit damals entwickelt die 1941 in Oberschlesien geborene Architektin Ideen und Projekte mit dem Team alleine weiter.

Karla Kowalski mit ihrem 2016 verstorbenen Mann Michael Szyszkowitz
Karla Kowalski mit ihrem 2016 verstorbenen Mann Michael Szyszkowitz © KANIZAJ



Kowalski – übrigens auch Zeichnerin, Keramikerin und Mitglied der Akademie der Künste Berlin – zeigt Skizzen, Modelle und Renderings der zwei imposanten Wohntürme, mit denen das Büro letztlich beauftragt wurde: „Es sollen bewusst Wasserhäuser sein und keine Landhäuser, die nur zufällig von der Lage her im Wasser stehen“, betont Kowalski. Den Designleitsatz „Form follows function“ befolge sie nicht, „Form ist Funktion, und sie kann die Funktion natürlich auch vorantreiben.“ Darum bleiben die Stelzenkonstruktionen ihrer Gebäude, die an die alten Hafenkräne erinnern, auch bewusst sichtbar.

Das komplexe Stützsystem fordert die „hervorragenden Statiker“, mit denen sich Kowalski zusammengetan hat, enorm heraus. Um Tiefenstützen und Bodenplatten im Sanduntergrund zu verankern, muss möglicherweise ein ganzes Wasserfeld mit Spundwänden erst leergepumpt werden. Der enorme Tidenhub der Elbe ist einzukalkulieren. Und vor die Beine der Häuser werden später auch noch Dalben in den Grund gerammt, damit es bei allfälligem Schiffsverkehr im Binnenhafen keinen Crash gibt.

Das sind nur einige der vielen Hürden, die das Büro nehmen muss. Dazu kommen die langwierigen Mühen der Ebene zwischen zig Sitzungen, den Vorgaben der HafenCity-Gesellschaft und der Stadtplanung sowie den sich verändernden Wünschen des Investors, ohne die eigenen architektonischen Ansprüche zurückzustecken. „Eine ständige Gratwanderung“, gesteht Kowalski, die dennoch zuversichtlich ist, dass der avisierte Baubeginn mit Frühjahr 2019 hält.

35 Millionen Euro exklusive Fundamentierung werden die sich nach oben und unten hin verjüngenden Häuser mit 120 Wohnungen, Fitnessräumen, einem Restaurant und intensiver Baumbegrünung auf den Dächern voraussichtlich kosten. 14 und 12 Stockwerke sind die Türme hoch. Männchen und Weibchen?, fragt der Laie. „Nein, das ist melodisch!“, korrigiert die Expertin. Eine Terz ist also schon angestimmt von der Musik-Aficionada Karla Kowalski, die den künftigen Bewohnern der hellen Zweibeiner schon jetzt einen wunderbaren Dreiklang verspricht: „Wind, Wasser und weite Sicht.“

Die Elbphilharmonie in Hamburg
Die Elbphilharmonie in Hamburg © AP