In der Dover Street, unweit des Green Park und in der Umgebung zahlreicher Galerien in Mayfair, konzentriert sich dieser Tage alles auf die Hausnummer 37: Dort, im Ely House, eröffnet Thaddaeus Ropac am 28. April seine neue Galerie, mit der er neben Salzburg und Paris nun einen weiteren prominenten Standort mit nicht weniger prominenter Kunst bespielt.

Auf 1500 Quadratmetern erstreckt sich die fünf Stockwerke umfassende Galerie - in dem von der in New York lebenden deutschen Architektin Annabelle Selldorf behutsam renovierten Stadthaus aus dem 18. Jahrhundert. Von außen weist lediglich ein schlichter Schriftzug über der Eingangstür auf die "Galerie Thaddaeus Ropac" hin. Rechts an der Wand der ebenso schlichte Zusatz: "Paris / London / Salzburg".

Neben seinen bereits etablierten Standorten hat sich der österreichische Galerist hier - dem Brexit zum Trotz - ein neues Standbein aufgebaut, das beeindruckt: Ely House wurde 1774 als bischöfliche Residenz erbaut und im Jahre 1909 für den Albermarle Club neu gestaltet, nunmehr residieren hier bis zum 29. Juli Minimal Art, frühe Arbeiten von Gilbert & George, Joseph Beuys und nicht zuletzt Oliver Beer, dessen Klanginstallation bereits beim Betreten des Gebäudes unüberhörbar ist.

Das Künstlerduo Gilbert & George wird bei Ropac in London vertreten sein
Das Künstlerduo Gilbert & George wird bei Ropac in London vertreten sein © AP

In London will Ropac neben Zeitgenössischem und neu zu Entdeckendem auch den Blick auch in die jüngere Vergangenheit werfen. Startet man in der Ely Gallery im Erdgeschoß, begegnet man sogleich den "Drinking Sculptures" von Gilbert & George, die eine "Reflexion über das Leben" anbieten, wie es im Begleittext heißt: Die Fotoserie des Künstlerduos entstand in den frühen 1970er-Jahren und zeigt etwa verzerrte und verschwommene Bilder aus einer Bar, die den Eindruck der Trunkenheit vermitteln. Die bruchstückhaften Szenen, in der sich verschiedene Gemütszustände ausdrücken, tragen vielsagende Titel wie "Swaying" (Schwankend), "Falling" (Stürzend) oder "The Glass" (Das Glas), bergen in sich jedoch auch ein Spiegelbild der damaligen sozialen und politischen Turbulenzen in Großbritannien.

Die Arbeiten hat Ropac aus "aller Welt" für seine exquisite Eröffnungsschau zusammengeholt, die Künstler selbst haben sie in dem von Stuckaturen dominierten Raum arrangiert. Zu lebendigen Skulpturen wurden die beiden in ihren frühen Videos, von denen drei Eingang in die Schau gefunden haben und an die Anfänge der damals noch jungen Kunstgattung erinnern. Sie flimmern über einen in die Wand eingelassenen Bildschirm über dem ehemaligen Kamin.

Unterstützt wird die Wirkung der Arbeiten durch damalige Originalobjekte: zwei hölzerne grüne Sessel und einem Tisch aus dem Video "Morning Light on Art For All" stehen unter der Videoarbeit.

Ein Haus, das klingt

Kehrt man ins Foyer zurück, stolpert man bereits über ein Objekt von Oliver Beer: Einen umgestürzten Konzertflügel, dessen Saiten herausgeschnitten und verknotet an der Wand hängen. Als Artist-in-Residence entwickelte der 1985 geborene Brite während der Umbauphase des historischen, denkmalgeschützten Stadthauses verschiedene "Klangmanipulationen" und "architektonische Klangschwingungen" in den Räumlichkeiten - eine Fortführung seines seit 2007 laufenden "Resonance Projects". Das Gebäude wird so zu einem eigenen Musikinstrument, das die "Stimme" des Hauses hörbar macht. Die im Haus verteilten klassischen Sängerinnen stimulieren dabei die "natürlichen Raumfrequenzen" und bringen das Gebäude zum Klingen - und es klingt voll und laut.

Neben dieser Live-Installation findet sich im hintersten Raum der Galerie, der "Berkley Gallery", die auf die Berkeley Street ausgerichtet ist, eine weitere Klanginstallationen Beers, in der er die Klänge von Vasen, hohlen Gipsköpfen oder einem Paraffin-Kanister hörbar macht. An den Wänden vervollständigen seine "zweidimensionalen Skulpturen" von Musikinstrumenten den Gesamteindruck.

Einen Blick zurück wirft die von Polly Robinson Gaer geleitete Galerie auch mit einer Auswahl von Minimal Art aus der Marzona Collection, die 1995 im mumok - Museum moderner Kunst Stiftung Ludwig erstmals in einem musealen Kontext im Wiener Palais Liechtenstein zu sehen war. Im Museumsquartier widmete das mumok dem hier ebenfalls vertretenen Dan Flavin 2012 die Schau "Lights". In der Galerie Ropac findet sich eine seiner Arbeiten in der Library Gallery im ersten Stock, wo ein Ensemble aus einer pinken und einer roten Leuchtstoffröhre als Teil einer Gruppe zweifarbiger Werke gezeigt wird, die der Künstler ab 1964 schuf.

Vertreten ist auch der amerikanische Post-Minimalist Richard Tuttle, dem die Bawag Foundation im Jahr 2000 eine Ausstellung in Wien gewidmet hat: Von ihm zeigt Ropac die Installation "Knowing" (1973) - ein an der Wand hängendes, an einem Ende zu einem Kreis gebogenes Stahlrohr. Weiters zu sehen sind u.a. auch Arbeiten von Richard Serra, Donald Judd oder Sol Lewitt.

Wiedersehen mit Beuys

Eine der bedeutendsten Skulpturen von Joseph Beuys ist Zentrum der Chapel Gallery im ersten Stock: "Rückenstütze eines feingliedrigen Menschen (Hasentypus) aus dem 20. Jh. n. Chr." (1972-1982) dominiert den kleinen Raum: Rundherum sind Zeichnungen zu sehen, die erst auf den zweiten Blick ihre Inhalte preisgeben, etwa die wogenden Linien in "Schwan" (ca. 1954) oder eine weibliche Silhouette in "Untitled" (1955). Die Wiederkehr von menschlichen und tierischen Körpern in Beuys' Werk kann dabei als "Allegorie auf die Einheit von Mensch und Natur" interpretiert werden, wie es im Begleittext heißt. Die Reproduktion einer therapeutischen Rückenstütze verwandelte der Künstler in einen schalenartigen Schutzpanzer und thematisiert dadurch "individuelles und universelles Leid, sowie die Rolle der Kunst als Heilmittel."

Aus der Serie "Rückenstütze eines feingliedrigen Menschen (Hasentypus) aus dem 20. Jh. n. Chr."
Aus der Serie "Rückenstütze eines feingliedrigen Menschen (Hasentypus) aus dem 20. Jh. n. Chr." © Bayerische Staatsgemäldesammlungen, Haydar Koyupinar

Die Papierarbeiten, die unabhängig und zu anderen Zeiten entstanden, treten so in einen von Ropac intendierten Dialog, der einen neuen Blick auf die Motive ermöglicht. Diese Arbeiten sind jedoch nur ein Teaser: im nächsten Jahr plant Ropac hier in London eine große Beuys-Schau. Apropos Zukunft: im taghellen Stiegenhaus begegnet der Besucher auch einigen Frühwerken von Arnulf Rainer: ein kleiner Hinweis auf eine Schau, die Ropac im Herbst plant.

Galerie Thaddaeus Ropac London
37 Dover Street
www.ropac.net