Er singt und singt und singt. Plácido Domingo ist gewissermaßen die Antwort der Opernwelt auf den Duracell-Hasen. Der mittlerweile 81-jährige Marathon-Mann lässt sich weder vom fortgeschrittenen Alter noch von MeToo-Anwürfen von der Bühne fernhalten. Und jetzt sang der Unstoppbare sogar im Grazer Musikverein, zum ersten Mal in der mehr als 60 Jahre währenden Bühnenkarriere. Domingo war einer der letzten Zwanzigender der Klassik, die dem Musikvereinsleiter Michael Nemeth noch in seiner Trophäensammlung fehlten. Mit einer konzertanten Aufführung von Giuseppe Verdis „Nabucco“ wurde diese Lücke würdig geschlossen und der zum Bariton „herabgesunkene“ Ex-Tenor Domingo durfte sich in einer Rolle präsentieren, bei der er künstlerisch wahrhaft Bedeutsames zuwege bringt. Die Partie des von seiner Tochter Abigaille entmachteten Babylonier-Königs Nebukadnezar, der Weg von der Hybris in die tiefste Verzweiflung, wird von der einmaligen Bühnenpersönlichkeit Domingo anrührend präsentiert, während die heldischen Aspekte der Partie naturgemäß unterbelichtet bleiben. Dass Domingo nicht wie ein genuiner Bariton, sondern nur „baritonal“ klingt, bleibt das Manko seines späten Fachwechsels, was das Phänomen Domingo nur unwesentlich geringer macht: Mit 81 Jahren einen solch prächtig und schön klingenden Nabucco mit unverkennbar luxuriös timbrierter und strömender Mittellage auf die Bühne zu bringen, grenzt einfach an ein Wunder.