Maestro Nucci, was denken Sie, warum fasziniert gerade die italienische Oper die Menschen bis heute?

Leo Nucci: Ich denke, weil sie in all ihrer scheinbaren Einfachheit Gefühle berührt. Sie gibt die Möglichkeit, ohne allzu viel Intellektualismus oder Philosophie sich zu begeistern und vielleicht auch dazu, eine Träne zu vergießen. Ich glaube, das ist es, was die italienische Oper anders macht.

Welches Programm werden Sie in Graz singen?

Leo Nucci: Das Programm bildet meine Karriere, meine Geschichte als Sänger ab.  Also Verdi, Puccini, Leoncavallo und auch einige Stücke italienischer Kammermusik  sowie die sogenannten Lieder all'italiana, die Paolo Tosti eigentlich für den Gesangsunterricht geschrieben hatte.

Sie stehen seit Jahrzehnten auf der Bühne, was halten Sie denn von der jungen Sängergeneration?

Leo Nucci: Eine neue Generation, die zur stimmlichen Schönheit erzogen wird, versteht den Verdi-Gesang vielleicht nicht ganz. Verdi wünscht sich für die Lady Macbeth aus "Macbeth" den gleichen Sopran wie für die Contarini in "I due Foscari" – dies sind beide keine schönen Stimmen. Verdi will keine schönen Stimmen, er will eine Stimme, die das Gefühl, den Wert des Wortes, das er schreibt, ausdrückt. Er sagt: "Ich will das szenische Wort." Verdis Gesang ist mehr theatralisch als gesanglich.

Und was ist Ihr Geheimnis, wie haben Sie sich Ihre Stimme jung gehalten?

Leo Nucci: Ich glaube, meine Stimme ist intakt, da bin ich mir ganz sicher. Natürlich haben sich mit der Zeit einige Änderungen ergeben. Die Atmung, die Aussprache und auch das Legato haben sich entwickelt. Dass meine Stimme nicht gealtert ist, kann ich mit einer gewissen Heiterkeit sagen, vielleicht ist sie gereift, aber auf einer geistigen, gesanglichen Ebene. Und wie ich sie frisch halte? - durch Training. Ich führe ein absolut normales Leben, ich war noch nie bei einem HNO-Arzt, ich hatte noch nie eine Stimmabsenkung. Vielleicht ist es einfach ein Geschenk der Natur, aber vielleicht auch eine Folge meines für einen Sänger untypischen Lebensstils.

Welche Projekte warten auf Sie in den nächsten Monaten?

Leo Nucci  singt am 15. Oktober, um 19.30 Uhr im Grazer Stefaniensaal, Infos und Karten.