Die Zauberin, der der Thron am Athener Hof versprochen wurde, wenn sie im Krieg ihre magischen Waffen einsetzt, führt eindeutig das Regiment in Händels Oper. Eigentlich müsste das Dramma tragico aus dem Jahr 1713 also „Medea“ heißen. Und schon gar, wenn man eine Protagonistin aufbieten kann wie Gaëlle Arquez. Als Glucks Armide 2016 an der Staatsoper und als Bizets Carmen 2017/18 in Bregenz hat die Französin schon ihre Exzellenz gezeigt. Die bestätigt sie nun nachdrücklich im „Teseo“ im Theater an der Wien.

Wie die Mezzosopranistin die Giftspinne Medea, die in der Liebe mehrfach brüskiert wird und darum am Netz ihrer Intrigen webt, schauspielerisch und stimmlich anlegt, ist ein Ereignis. Ob falsche Süße oder echter Furor: Arquez zieht in jeder Lage die richtigen Register. Sie führt das Ensemble mit Abstand an. Christophe Dumaux ist auch in Wien schon oft mit seinem klingenscharfen Counter aufgefallen: Hier singt er den König Egeo, der Medea für Agilea fallen lässt. In die Rolle der Prinzessin, die jedoch dem siegreichen Feldherrn Teseo treu bis in den Tod bleiben will, wächst die norwegische Sopranistin Mari Eriksmoen erst hinein, meistert den Koloraturenparcours aber ebenso firm wie Benno Schachtner (Arcane) und Robin Johannsen (Clizia), die sich zum glücklichen Paar am Hof finden dürfen. Unglücklich fast bis zum Schluss bleibt hingegen Teseo, der zwar als Triumphator heimkehrt, im Ränkespiel Medeas, die ihn auch begehrt, jedoch unterzugehen droht: Der Ukrainerin Lena Belkina in der Hosenrolle nimmt man den Helden mit ihrem schönen, aber zu leichten Sopran nicht wirklich ab.

Für Händels zweite Londoner Oper, die ohnehin nicht zu dessen großen Würfen gehört, ist Moshe Leiser & Patrice Caurier nichts wirklich Schlüssiges eingefallen. Zwar inszenieren sie sehr in und mit der Musik, ihrem Setting à la „Downton Abbey“ (Bühne: Christian Fenouillat, Kostüme: Agostino Cavalca) würden aber Brechungen guttun. Da helfen auch ein paar barocke Zaubereien wenig: plötzlich raumgreifende Riesenhände, im wahrsten Sinn des Wortes „verrückte“ Möbel oder eine „fliegende“ Medea, die nicht mehr Frau der Lage ist ...

Weit mehr Zauber kommt aus dem Graben, denn dort steht René Jacobs am Pult. Der ewig junge alte Fuchs hat Händels einzigen Fünfakter nicht nur aufführungspraktisch ergänzt und aufgefrischt, er hat dessen Musik auch in den kleinen Fingern, die – quasi sein Markenzeichen – beim Dirigieren immer frech abstehen. Zwar ist die Schlagtechnik des 72-Jährigen, der ja früher als Counter Weltklasse war, mitunter ein Rätsel. Aber die Auflösung liefert diesmal mit Verve die Akademie der Alten Musik Berlin, mit der der Belgier schon lang verbunden ist. Fabelhafte Partner.