Nur wenige Opern spielen im rural-alpinen Raum. Weiß der Geier, warum. Wilhelmine von Hillern siedelte ihren Roman "Geier-Wally" allerdings im Tiroler Ötztal an - und so auch der junge Alfredo Catalani seine Oper, als er das Buch 1892 adaptierte. Am Samstag feierte "La Wally" nun erstmals überhaupt an der Wiener Volksoper Premiere - als dunkles Stück über eine starke Frau abseits von Alpenkitsch.

Obgleich Catalanis Werk an der Mailänder Scala uraufgeführt worden war und Musikheroen wie Arturo Toscanini oder Gustav Mahler die Oper über die Maßen schätzten, hatte sie es seither im Repertoirespielplan schwer. In Österreich war "La Wally" zuletzt 2013 in Innsbruck zu hören und etwa an der Staatsoper noch nie. Was eigentlich schade ist - wenn das Werk in solch guten Händen wie bei Volksoperndebütant Aron Stiehl als Regisseur und seinem Bühnenbildner Frank Philipp Schlößmann liegt.

Letzterer konterkariert jedes potenziell klischeehafte Alpenidyll im Dirndlmodus mit einem reduzierten, flexiblen Bühnenbild, das aus abstrakten Einzelelementen besteht, die sich mittels Drehbühne in Windeseile ineinanderschieben. So werden Assoziationen von Enge und Beklemmung evoziert - der Bergwelt und der dort herrschenden Verhältnisse. Naturalismus kommt dank skizzenhaft gezeichneter Monochromie nie auf.

Der psychologischen Deutung des Stoffes um die selbstbewusste Großbauerntochter Wally, die sich in die Berge zurückzieht, um einer arrangierten Ehe zu entgehen und letztlich doch an Liebe zu einem anderen Mann zugrunde geht, bleibt Stiehl bis zum Schluss treu. Das charakteristisch-tragische Verismo-Ende mit dem Tod der kurzzeitig glücklich vereinten Liebenden mutiert bei Stiehl zum Fiebertraum einer Sterbenden. Große Bilder für großes Leid.

Das Problem des Abends liegt eher bei einem Teil der Stimmen. In den hochalpinen Regionen wird die Luft dünn - auch für einige der Sänger. Kurt Rydl als Großbauer Stromminger hat mit seinem Bass zwar noch große Durchschlagskraft, die Textverständlichkeit oder Beweglichkeit der Stimme fehlt jedoch. Elisabeth Schwarz hat für die Hosenrolle des Walters einen zu schneidigen Koloratursopran und Einspringer Vincent Schirrmacher muss als von Wally begehrter Jägersmann, am stimmlichen Grad seiner Rolle wandelnd, einige Wackler überstehen.

Eine hochanständige Leistung bei ihrem Volksoperndebüt liefert indes die Norwegerin Kari Postma in der Titelrolle ab, die mit der Arie "Ebben! Ne andro lontana" auch den einzigen Hit der Oper vortragen kann. Ihr gesellte sich der von ihr verabscheute Verwalter Vincenzo Gellner in der Interpretation von Bernd Valentin ebenbürtig zur Seite. An den stimmlichen Qualitäten kann die Ablehnung Wallys in diesem Fall nicht liegen. Und auch Daniel Ohlenschläger, als Einspringer mit den großen Fußstapfen von Martin Winkler konfrontiert, bewältigt seinen Part des Infanteristen, der in der Stiehl-Regie zur Personifizierung des Schicksals mutiert, bravourös.

Unten im Tal, äh im Graben führte Marc Piollet das Volksopernorchester mit wuchtigem Tritt durch die Partitur, ließ das Blech seine ganze Kraft ausspielen und dabei immer wieder auch die Sänger übertönen - was bisweilen verschmerzbar war. Und doch kommen auch die lyrischen Passagen im schmelzigen Duktus daher.