Karel Schwarzenberg ist ein Mann, der keiner Vorstellung mehr bedarf. Der tschechische Adelige, ehemalige Außenminister, einstige Präsidentschaftskandidat und Held der Samtenen Revolution, ist ein Staatsmann, der in der Geschichte des 20. und 21. Jahrhundert seine Spuren hinterlassen kann. Doch Karel Schwarzenbergs Geschichte ist auch eine des Leids, der Vertreibung, der persönlichen Verluste und der komplexen Beziehung zu seinen Kindern. Diese hat seine Tochter Lila Schwarzenberg gemeinsam mit Lukas Sturm nun in einem sehr persönlichen Dokumentarfilm festgehalten. Ein Film von Versöhnung und dem Dialog zwischen den Generationen.

Herr Sturm, stimmt es, dass Sie Lila Schwarzenberg erst überzeugen mussten, in dem Film aufzutreten?
Lukas Sturm: Unser Co-Produzent Gernot Schaffler hatte die Idee ein Porträt über den Fürsten zu machen und hat Lila gefragt, ob sie das nicht machen will. Ursprünglich wollten wir zwei, drei Drehtage mit einem Gespräch. Dann hat sich aber so eine Magie entwickelt, die getragen war von einem aufrichtigen Dialog. Da war mir klar, es wäre schön, mit der Lila eine Reflexion über das, was sie in diesen Begegnungen mit ihrem Vater erlebt hat, zu machen. Wir sind einfach hergegangen und in sechs Stunden hat Lila in einer schonungslosen Offenheit alles erzählt. Da hat der Film eine Qualität bekommen, die er vorher nicht hatte.

Was hat Sie daran interessiert, mitzumachen? Immerhin ist es eine sehr persönliche Geschichte.
Lila Schwarzenberg: Ursprünglich war es der Gedanke, meinem Vater für meine Kinder irgendwie zu bewahren, weil er immer eine distanzierte Figur war. Im Schnitt haben wir gesehen, dass es am emotionalsten ist, wenn es um uns beide geht. Wie dann die Idee kam, das Interview zu machen, habe ich mir gedacht, scheiße, es ist sehr persönlich. Ich wollte da nicht eine Hauptfigur spielen. Aber dann hat die Filmemacherin in mir gesiegt und hat gesagt, okay, probieren wir's.

Ihr Film eröffnet mit einer Rede über Russland und die Krim von 2014, was natürlich jetzt genau ins Zeitgeschehen passt. Eine nachträgliche Entscheidung oder Zufall?
Schwarzenberg: Das war ein glücklicher Zufall. Wir hatten mehrere Videoausschnitte um ihn als Politiker zu etablieren, die aber nicht funktioniert haben. In Tschechien ist das kein Ding, aber in anderen Ländern kennt man ihn nicht. Mit der Rede weiß man sofort, es geht um wen der sich da auskennt.

Die Geschichte der Schwarzenbergs in Tschechien ist auch von Vertreibung und Enteignung geprägt. Das wird im Film auch angesprochen. Welche Reaktion haben Sie sich in seiner Heimat erhofft?
Schwarzenberg: Ich glaube, es kommt ganz klar raus, dass er 40 Jahre weg war, sich aber 40 Jahre zurücksehnt hat und dass sein Leben sich erst komplett angefühlt hat, wie er wieder hier angekommen ist. Wenn ich ein Tscheche wäre und ihn auch gewählt hätte, das Land zu vertreten, ist das das, was ich hören möchte.

Der Film widersetzt sich auch einer klassischen biografischen Aufarbeitung.
Sturm: Eine zentrale Botschaft ist die zu sagen, es ist nie zu spät, ein Gespräch zwischen Vater und Tochter, Sohn und Mutter, Eltern und Kindern zu führen. Eine befreundete Produzentin war zu Tränen gerührt und hat gesagt, uns ist was ganz Besonderes gelungen. Wir haben einen Film für alle Töchter dieser Welt gemacht, die diese Art von Vätern haben. Weil die Nachkriegsgeneration, das sind Männer, die mit einem völlig anderen Bild vom Vatersein aufgewachsen sind. Und dann ist es auch noch das Porträt einer Figur des 20. und 21. Jahrhundert, die außergewöhnlich ist.

Ein Bild aus dem Familienalbum
Ein Bild aus dem Familienalbum © Filmladen

Wie hat Ihr Vater auf den Film reagiert?
Schwarzenberg: Seine erste Reaktion ist ja im Film, wo wir ihm das Material zeigen. Die zweite war bei der Weltpremiere. Er ist kein Mann der großen Worte, aber ich glaube er war sehr berührt.

So würde nicht jeder reagieren, über den im Film mehrmals gesagt wird, wie distanziert er war. Da muss von Karel Schwarzenberg auch viel Selbstreflexivität mitschwingen.
Schwarzenberg: Er hat während dem Filmen immer gesagt, sei kritisch Lila, sei kritisch. Ich habe ihm gesagt, dieses Vertrauen war das größte Geschenk, das er mir je gegeben hat. Das ist nicht selbstverständlich.

Sturm: Der Film ist in Wahrheit eine einzige Liebeserklärung. Die Bereitschaft von deinem Vater, so viel Zeit mit uns zu verbringen und sich zu öffnen, ist das größte Geschenk.