Es ist eine kleine elitäre und einflussreiche Gruppe: 87 Filmjournalist*innen der Hollywood Foreign Press Association (HFPA) entscheiden, wer sich diesen Sonntagabend mit einer Weltkugel vergoldet. Zum Vergleich: Die Academy der Oscars umfasst mehr als 9000 stimmberechtigte Mitglieder. Die Globes sind aber seit jeher die lässigere, kleinere Schwester der Oscars. Es ist eine Veranstaltung, wo nebst großen Leinwanddramen auch Musicals, Komödien und TV-Serien ausgezeichnet werden und bei der man keine Scheu vor dem Mainstream hat. Die Gags der Verleihungen sitzen ebenso besser als bei den steiferen Academy Awards. Ihrem Ruf als Vorbote für die Oscars wurden die Globes zuletzt - zumindest in den prestigeträchtigsten Kategorien - kaum gerecht. Zur Erinnerung: Im Vorjahr hagelte es Preise für klassische Kinofilme wie "1917" von Sam Mendes oder die analog gedrehte Hommage "Once Upon a Time ... in Hollywood" von Quentin Tarantino, während bei den Oscars Bong Joon-hos Satire "Parasite" sowohl Hollywoods Darlingen als auch den Streamingdiensten die Show stahl und als Sieger des Abends strahlte.

Zurück zur Auslandspresse: Diese ist in Hollywood durch die Liste der Nominierten vor der Gala am heutigen Sonntag in Verruf geraten. Wieder einmal. „Sie scheint weit abgekoppelt vom Zeitgeist in Hollywood und der kulturellen Landschaft als Ganzes“, beschrieb es etwa das Branchenblatt „Deadline“. Debatten wie #MeToo, #OscarsSoWhite oder #BlackLivesMatter scheinen nämlich an der HFPA fast spurlos vorübergegangen zu sein. Konkret geht es um die Serie „Emily in Paris“ als beste Fernsehserie in der Kategorie „Komödie“ nominiert ist. Eine klischeebeladene, seichte Produktion, die von der Kritik verrissen wurde. In den sozialen Medien zeigte sich mit  Deborah Copaken sogar eine Autorin der Serie „beschämt, dass die hoch gelobte Serie "I May Destroy You" von Michaela Coel nicht nominiert ist.

Dazu passen umfassende Recherchen der "Los Angeles Times", die schwere Korruptionsvorwürfe erhebt: Paramount Network, das Studio, das die Serie produzierte und an Netflix verkaufte, soll 2019 rund  30 HFPA-Mitglieder nach Paris zu einem Set-Besuch eingeladen haben - inklusive edler Essen im Musee des Arts Forains und Übernachtungen in einem exklusiven Fünf-Sterne-Hotel. Das überlieferte anonyme Zitat eines Teilnehmenden lautete: „Sie behandelten uns wie Könige und Königinnen." Das Branchenmagazin "Variety" widersprach der Darstellung und erklärte, die eingeladenen Journalist*innen hätten sich den Flug selbst bezahlt. Und: Solche Junkets seien in der Branche üblich.

Ins Bild der gar nicht objektiven Jury passt aber auch die Geschichte der norwegischen Journalistin Kjersti Flaa, die die HFPA klagte, nachdem ihr die Mitgliedschaft verweigert worden war. Flaa argumentierte, die Organisation institutionalisiere eine „Kultur der Korruption“ und sei wie eine Art Kartell, die qualifizierte Bewerberinnen und Bewerber ausschließe und ihre Mitglieder zudem unangemessen subventioniere. Die Vorwürfe sind schwer: Die Mitglieder akzeptierten „Tausende von Dollar an Bezügen“ von jenen Studios, Netzwerken und Prominenten, denen sie Trophäen verleihe. Dazu zähle auch ein  „Schweigekodex“.

Wo es sonst noch hapert

Egal, ob sich die Vorwürfe nach der Verleihung erhärten, die Nominiertenliste zeigt auch im Filmbereich einige Auffälligkeiten: Dass Sias Regiedebüt "Music" sich Chancen auf eine Weltkugel als bestes Werk in der Sparte Musical/Komödie ausrechnen darf, ist ebenso beschämend wie dass Schauspieler James Gorden für "The Prom" nominiert ist und Meryl Streep nicht. Ungewöhnliche Entscheidungen sind, wenn man so will, auch ein Markenzeichen der Globes. Die entscheidende Frage in diesem seltsamen Filmjahr 2021 ist aber: Wird Netflix heuer auch im Filmbereich abräumen und sich mit seinen Werken rechtzeitig vor den Oscars vergolden oder schnappen dem Streamingriesen dann doch Filme, die dem Kino vorbehalten sind - nämlich das viel gepriesene "Nomadland" mit Frances McDormand, "Promising Young Woman" mit Carey Mulligan oder "The Father" mit Anthony Hopkins und Olivia Colman - die wichtigsten Preise weg?