Kriege, Teuerung, Migrationswellen, erratische Milliardäre, die Kommunikationsplattformen unter Kontrolle haben, und eine Einkommensschere, die immer weiter auseinandergeht. Und während die Sozialstaaten erodieren, wird die Natur dem Geld und dem Konsum geopfert. Solch schlechte Zeiten wären im Grunde die idealen für Bertolt Brechts "Dreigroschenoper", die fast 100 Jahre nach ihrer Entstehung noch immer so einiges über die aktuelle Weltlage mitzuteilen hätte. Das ist doch weit mehr als bloß ein gut abgehangener Klassiker, der heute gern sinnwidrig zitiert wird. Ein Stück, in dem postuliert wird, dass sich zuerst die ökonomischen Verhältnisse ändern müssen, bevor wir überhaupt in der Lage sind, über Moral sprechen zu dürfen, ist immer noch ein starker Stoff.

In der Volksoper hält man die "Dreigroschenoper" dagegen für eine seichte Revue. Harmloser als Regisseur Maurice Lenhard kann man Brecht nicht mehr umsetzten. In abenteuerlich bunten Kostümen stolzieren die Bettler und Ganoven über die Bühne. Das mag vielleicht als Hinweis darauf taugen, dass die größten Verbrecher die schicksten Sachen tragen, und dieser soziale Bodensatz ja in Wahrheit die Verbrecher in den Chefetagen meint, aber Lenhard bietet eben keine bissige Satire, und auch von der sozialen Schärfe, vom utopischen Element und vom Spott für die bürgerliche Moral bleibt: nichts.

Sona MacDonald, eine kostbare Leihgabe von der Josefstadt, kann es als Macheath zeitweilig richten, weil ihr Mackie sein blutiges Geschäft als Entertainment aufzieht. Der weiß kostümierte Wirbelwind Mac Donald und sein Versuch, den Abend ganz zu kapern und in Besitz zu nehmen, ringt schon einige Bewunderung ab.

Sehr gut auch die Polly von Johanna Arrouas und, mit ein paar Abstrichen, die Lucy von Julia Koci. Oliver Liebl hat als Jenny gute Momente. Sonst: viel farb- und sinnlose Bühnenkunst auf einer gelben, bemerkenswert nichtssagenden Drehbühne, so als wäre die "Dreigroschenoper" ein x-beliebiges Musical. Kurt Weills Geniestreiche kommen nicht zu gut zur Geltung, weil es dem Volksopernorchester unter dem Dirigat von Carlo Goldstein an nötiger Schärfe und Akkuratesse fehlt, so wie  dem Ensemble über weite Strecken an rhetorischer Brillanz.

Anders und originell ist diese Aufführung auch, aber dabei beschränkt man sich auf bisschen Crossdressing und Gender-Bending. Mackie ist eine Frau, die Jenny ein Mann. Ein schwacher Gruß unserer woken Gegenwart. Identitätspolitik statt Antikapitalismus: Etwas, was den Zeitgeist gründlicher entlarvt, wird man auf den österreichischen Bühnen in nächster Zeit wohl kaum zu sehen bekommen.