So geht das. Mit Pomp und Trara nämlich. Das Wiener Burgtheater hat unter seinem neuen Direktor Martin Kušej wieder aufgesperrt, es ist eine Saisoneröffnung mit schwerem Gerät: mit Euripides’ Tragödie „Die Bakchen“, die von der Rache des Gottes Dionysos an den vom Glauben abgefallenen Thebanern erzählt. Und mit seinem Vertrauensregisseur Ulrich Rasche, der für sein Burgtheater-Debüt eine seiner gewaltigen Apparaturen auf der Bühne installiert hat. Hier sind es drei großflächige Laufbänder, die sich auf einem massiven Gerüst ständig drehen, heben, senken. Auf der Bühne sind 21 Darsteller, zwei Sänger und sechs Musiker rund um die exzellente Schlagwerkerin Katelyn King im Dauereinsatz.

Die Produktion muss, auch choreografisch, ein enormer feinmechanischer Kraftakt gewesen sein. Das Ergebnis: ein atemberaubend rasantes, ohrenbetäubendes, überwältigendes Großspektakel. Und das ist, damit es gleich gesagt ist, fantastisch. Selbstbewusstes, souveränes, auftrumpfendes Theater, mit enormem technischen und menschlichen Ressourceneinsatz fast verschwenderisch, und doch ist hier nichts zuviel.

Rasche ist mit seinen Maschinen und mit dem rigoros chorischen Aufbau seiner Inszenierungen berühmt geworden; Mittel, derer er sich auch in Wien bedient, um gewohnte Deutungsansätze der „Bakchen“, die Gegenüberstellung nüchterner bürgerlicher Ordnung und rauschhafter Hingabe an das Übernatürliche, zu überschreiten.

Alle Gesellschaftsentwürfe scheinen hier fragwürdig. Auch die demokratische Idee, Freiheit in der Unterordnung unter die Gesetze zu verorten. Auf den Prinzipien von Gut und Böse zu beharren, sei nur Ausdruck von Armut und Schmutz, schleudert Dionysos (Franz Pätzold) in einer Konfrontation dem thebanischen König Pentheus (Felix Rasch) entgegen: „Ihr habt noch Chaos in euch.“

Später wird der listige Verführer den Despoten auf den Berg Kithairon locken, wo ihn sein Gefolge bei lebendigem Leib zerreißt; und schließlich wird Pentheus’ Mutter Agaue (Katja Bürkle), die sich den Bakchen angeschlossen hatte, das abgerissene Haupt des Sohnes triumphierend in die Stadt tragen; im Wahn, es sei der Schädel eines erlegten Löwen.
Am Ende des Wirgefühls lauert die Bestialität. Das illustriert Rasche, indem er den sechzehnköpfige Chor in den Mittelpunkt seiner Inszenierung rückt und ihn Schritt für Schritt zum Mob mutieren lässt, zu unablässig stampfenden Beats: „Wir tanzen an gegen die Mittelmäßigkeit. Wir holen uns unser Land wieder. Wo viele gehen, gehen andere mit“, deklamieren sie, während die hochfahrende Hebekonstruktion der Laufbänder, auf denen sie unablässig Richtung Parkett marschieren, den Zuseher in die Untersicht zwingt.

Derartige Anleihen bei faschistischen Ästhetiken ist Rasche schon vorgeworfen worden. Hier machen sie die Grauslichkeit allzu geläufiger politischer Entwicklungen sichtbar. Langer Applaus, für einen fordernden Dreieinhalbstundenabend, der dem exzellenten Ensemble, aber auch dem Publikum viel abverlangt. Das kann sich aber beglückwünschen, wenn das das Burgtheater von Martin Kušej ist.

Regie und Bühne: Ulrich Rasche
Komposition und musikalische Leitung: Nico van Wersch
Kostüme: Sara Schwartz
Mitarbeit Regie: Dennis Krauß
Mitarbeit Bühne: Sabine Mäder
Chorleitung: Toni Jessen, Jürgen Lehmann
Licht: Friedrich Rom
Video: Sophie Lux
Dramaturgie: Sebastian Huber

Mit: Franz Pätzold (Dionysos), Felix Rech (Pentheus), Katja Bürkle (Agaue), Martin Schwab (Kadmos), Hans Dieter Knebel (Teiresias) u.a.

Termine: 13., 16., 19., 22. September, 2., 5., 6., 9., 26., 27. Oktober.
www.burgtheater.at