Belauscht mit Ohr und Blick. Vor jedem Konzertbesuch im Stefaniensaal begegnet man ihm, dem Titanen, auf einem mächtigen Sockel über der Feststiege thronend, aus Südtiroler Laaser Marmor vom Wiener Bildhauer Johannes Benk 1908 gefertigt, den Blick leicht seitwärts gerichtet. Diese überlebensgroße Darstellung Beethovens sollte die Nachwelt an seine historische Bedeutung gemahnen.

Doch bereits zu seinen Lebzeiten wurde Beethoven in Graz als genialisch und gegenwärtig größter Tonsetzer gefeiert, was ihm 1821 die Ehrenmitgliedschaft des Musikvereins für Steiermark bescherte. Beethoven unterhielt nach 1800 regen Kontakt zu Institutionen und Persönlichkeiten der frühbiedermeierlichen Musikstadt Graz. Als Vorläufer der Konzerte des 1815 gegründeten Musikvereins gab es „abonnierte Liebhaber-Konzerte“ unter der Leitung von Eduard Hysel (1770–1841). Unter seinem Dirigat fanden die ersten Beethoven-Aufführungen statt, so auch dessen zweite (1805) und dritte Symphonie (1807).

Zu Ehren eines Mentors der Grazer Konzertszene, Julius Franz Schneller, wurde 1811 im Garten des prächtigen Meerscheinschlosses im Rahmen einer Matinee Beethovens „Pastorale“ erstaufgeführt. Zu Weihnachten 1811 konnten Grazer Musikfreunde eine weitere Erstaufführung erleben, als in einer Wohltätigkeitsakademie die „Chorphantasie“ erklang, deren Klavierpart von der vierzehnjährigen Grazer Pianistin Marie Leopoldine Koschak (1794–1855) übernommen wurde. Beethoven lernte sie persönlich kennen und lobte ihr Talent. Gemeinsam mit ihrem späteren Ehemann, dem Anwalt Karl Pachler, führte sie einen musikalischen Salon und beherbergte im September 1827 Franz Schubert in ihrem Haus.

Joseph von Varena, Herr und Landrat für Steiermark und Kärnten, stand mit Beethoven seit 1811 in Kontakt und verschaffte diesem die Gelegenheit, im Rahmen mehrerer Benefizkonzerte zugunsten des Ursulinen-Klosters, neue Werke vorzustellen. Varena war auch Gründungsmitglied des Grazer Musikvereins. Anhand der Korrespondenz mit Beethoven sind Vorbereitungen der Wohltätigkeitsakademien (u. a. kostenlose Überlassung von Notenmaterial) zugunsten der Ursulinen dokumentiert, die sich aufgrund der verheerenden sozialen Umstände um die Armen kümmerten. Das erste Benefiz fand 1812 im damals schmucken Redoutensaal des Ständischen Theaters, dem heutigen Schauspielhaus, statt.

Rezensionen über Grazer Beethoven-Aufführungen sind ausnahmslos positiv. So riefen die Ouvertüre zu „Fidelio“ (Dezember 1815), die 7. Symphonie (Weihnachten 1816) sowie die Schlachtenmusik „Wellingtons Sieg“ (Ostersonntag 1816) großes Medienecho hervor. Die Realisierung dieses pompösen Werks verursachte übrigens beachtliche Kosten, da man zur Illustration spezielle Beleuchtung und Dekorationen installierte. Als vergleichsweise weniger aufwendig gestaltete sich die erste Darbietung der 8. Symphonie zu Ostern 1818. Unerklärlich, weshalb Beethovens „Neunte“ erst 1867 unter der Leitung des Direktors des Grazer Musikvereins, Wilhelm Mayer-Rémy (1831–1898), zur Aufführung gelangte.

Knapp zwei Jahre nach der Uraufführung im Theater an der Wien erfolgte im Ständischen Theater 1816 die Grazer Erstaufführung der „neuen Oper in zwey Aufzügen von Herrn Louis van Beethoven“: Um die Musikwelt nach der Wiener Aufführung des „Fidelio“ in Kenntnis zu setzen, hatten Beethoven und Textdichter Friedrich Treitschke im Sommer 1814 den Opernhäusern von Prag, Hamburg, Stuttgart, Frankfurt am Main, Karlsruhe, Darmstadt, Stuttgart und Graz Partituren zukommen lassen. Auf dem Begleitvermerk des Grazer Exemplars ist zu lesen: „Treitschke übersendet eine Partiturabschrift der Oper ,Fidelio‘ zum ausschließlichen Gebrauch des Nationaltheaters in Graz“.

Michael Nemeth (42), seit 2008 Generalsekretär des Musikvereins für Steiermark, schrieb seine Diplomarbeitin Musikwissenschaft zur Beethoven-Rezeption in Graz.