Eine Musterklage gegen die Salzburger Festspiele haben Künstler am Freitag bei einer Pressekonferenz in Wien angekündigt. Konkret geht es um den Vorwurf der Verletzung des Theaterarbeitsgesetzes, der unterschiedlichen Entlohnung von Chormitgliedern der Konzertvereinigung und Verletzung der Zahlungspflicht im Zusammenhang mit Verschiebungen und Absagen 2020. Gefordert wurde u.a. die Demission des Festspielintendanten und des kaufmännischen Direktors.
Seit Juni 2020 gab es in Österreich grundsätzliche Öffnungsschritte, die auch die Veranstaltung der Salzburger Festspiele in reduzierter Form im August 2020 ermöglichte. Einige Opern, Theaterstücke, Konzerte wurden komplett gestrichen, andere verschoben. Dem Kuratorium der Salzburger Festspiele sei bewusst gewesen, dass Höhere Gewalt unter diesen Umständen rechtlich nicht gültig sei, betonte Kammersänger Wolfgang Ablinger-Sperrhacke.
In den Originalverträgen habe es die Möglichkeit kompensationsloser Verschiebungen ebenfalls nicht gegeben, "dennoch wurden allein 67 nicht benötigte Opernsolisten mit rechtsgültigen Verträgen nicht ausbezahlt, obwohl Zahlungspflicht bestand", hieß es. Ebenso sei mit einem Teil der engagierten Chormitglieder, rund 120 Betroffenen, verfahren worden. "Die Stammmitglieder der Konzertvereinigung haben circa das Doppelte an Entlohnung bekommen als die Zusatzmitglieder, was ein eklatanter Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz ist", sagte Ablinger-Sperrhacke.
Die Künstler, deren Produktion verschoben wurde, seien genötigt worden, Auflösungsverträge zu unterschreiben, auch ohne Kompensation. "Wir fordern die Nachzahlungen für 2020", so der Kammersänger.
Politisch wurde bei dem Pressetermin, gemeinsam veranstaltet von der Anwaltspetition für Freischaffende, der Florestan-Initiative und Aufstehen für die Kunst, generell für den zweiten und dritten Lockdown eine Regelung wie in Frankreich für Personen mit Verträgen gefordert: "Also 50-prozentige Entschädigung, das heißt steuerfrei", so Ablinger-Sperrhacke: "Und alternativ für Steuerinländer 80-prozentigen Umsatz nach dem Vorjahr."
Was die Salzburger Festspiele betreffe, vermute man insgesamt einen Nachzahlungsbetrag von zehn Millionen Euro. Um künftig gegen Gesetzesbrüche vorzugehen, sei die Schaffung einer Künstler:innenkammer als Interessensvertretung für Freischaffende notwendig.
Reaktion der Salzburger Festspiele
"Die Salzburger Festspiele verwehren sich gegen die in der Pressemitteilung vom 11.11.2022 unter anderem von Herrn Ablinger-Sperrhacke erhobenen Vorwürfe. Fakt ist vielmehr: Die Salzburger Festspiele haben als einziges großes Festival weltweit im Sommer 2020 stattgefunden und damit hunderten Künstlerinnen und Künstlern Beschäftigung gegeben. Dem Direktorium der Festspiele ist es zudem gelungen, fast alle der ursprünglich in 2020 geplanten Produktionen in 2021 und 2022 nachzuholen. Hierfür wurden im Einvernehmen mit den Solistinnen und Solisten, den Chören und Orchestern Veränderungsvereinbarungen geschlossen."
Und weiter hieß es: "Für die beiden ursprünglich in 2020 angesetzten Produktionen Intolleranza und Boris Godunow hatte die Konzertvereinigung bereits im Frühjahr Einstudierungsproben in Wien organisiert. Hierfür einigte sich das Direktorium der Salzburger Festspiele und die Konzertvereinigung auf ein Abschlagshonorar, das unverzüglich ausbezahlt wurde." Zum Vorwurf der ungleichen Bezahlung zwischen Stammchor und Gästen heißt es auf Nachfrage: "Die Festspiele haben mit der Konzertvereinigung Wiener Staatsopernchor seit Jahrzehnten einen Rahmenvertrag, wonach die Konzertvereinigung in künstlerischer Eigenverantwortung ihre Chorsängerinnen und -sänger zusammenstellt und für die Einstudierung des Chors in Wien Sorge trägt. Es entzieht sich daher dem Einfluss der Salzburger Festspiele, welche Choristinnen und Choristen in welchen Produktionen beschäftigt werden."