Zu New York, London oder Berlin würde das Konzept ja passen. Aber zu Eisenerz? Und einer Roankeuschlerei, die am letzten Zipfel eines Weges liegt, von wo aus man zwar einen herrlichen Ausblick hat, aber nur mehr rückwärts wieder wegkommt? Der Abend in der Provinz lehrt Besucher aus der Stadt: Urbanität und Offenheit sind keine Fragen der Einwohnerzahl.

Die Diseuse Lucy McEvil

Angelehnt an Tupperware-Partys probt das Kunst- und Kulturprojekt „eisenerZ*ART“das Experiment: Statt Plastikdosen-Verkäufer laden Eisenerzer Haushalte Künstlerinnen und Künstler in ihre Gärten, Wohnzimmer und Küchen. Name: Artware-Partys. Die Premiere bestreiten die Gründer der Privatbrauerei Erzbergbräu, Reini und Helga Schenkermaier. Zu Gast ist die Wiener Kunstfigur, Diva, Diseuse und Schauspielerin Lucy McEvil, die eigentlich ein Mann ist. In einem beigen Unterkleid unter einem Hauch gehäkelten Nichts, einer roten Polyesterperücke und Pumps eröffnet sie den Abend mit Lyrik und Texten ihrer steirischen Lieblingsautoren: Werner Schwab, Wolfgang Bauer, Stephan Eibel Erzberg.

Heterogener Haufen

Letztgenannter – der einzig Lebende unter den dreien, der politisch präzise polternde Lokalmatador – sitzt auch im Publikum, das zufällig zusammengewürfelt ist und heterogener ausgewählt nicht hätte sein können: Einheimische in Lederhosen, ins Exil nach Wien Geflüchtete, kunstaffine Touristen aus Italien oder eine Dreigenerationenfamilie. Eine Vielfalt, die ganz im Sinne der Diseuse steht: „Ich finde die Trennung zwischen Hochkultur und – was soll das Gegenteil sein? – Tiefkultur für recht überflüssig“, schickt sie voraus.

Von Qualtinger bis zum Jodler

Lucy McEvil liest, singt, zupft auf der Ukulele oder performt einen vertonten Qualtinger-Text: Das Publikum beklatscht die Fäkaliensprache in Schwabs tragikomischem Stück „Die Präsidentinnen“, aus dem die Gästedompteuse Auszüge aus Sicht der Spät-Erotikerin Grete liest.

Das Publikum im Hause Schenkermaier: ein heterogener Haufen
Das Publikum im Hause Schenkermaier: ein heterogener Haufen © Julia Schafferhofer

Und die Zuschauer, per Einladung zum Ort gelotst, werden, wie es in der Ankündigung als Aufforderung steht, mitunter selbst aktiv: Martin Schenkermaier schüttelt Gedichte von Heinz Erhardt aus dem Ärmel und traut sich – zu späterer Stunde – auch an eigene. Eibel Erzberg wirft der Truppe neue und alte Gedichte hin. Die Hausherren singen Wienerlieder. Ein junger Mann zupft den Mumford-&-Sons-Song „The Cave“, das eingespielte Ehepaar Gottfried und Resi Bleyer führt Jodler auf seiner Mundharmonika und Schwegelpfeife vor.

Keine Berührungsängste mehr

So bunt hätte man einen Abend nie programmieren können. In der Pause, für die viele Proviant mitbrachten, passierte etwas Wundersames: Letzte Berührungsängste wurden abgebaut. Zur Diva, zum Publikum, zur Provinz. Lucy packte zum Dank mehr Schnurren und Peinlichkeiten aus. Das Experiment der Initiatorin Gerhild Illmaier ist geglückt. Fortsetzung folgt.