Ingesamt 19 Filme werden bei den 68. Filmfestspielen in Cannes präsentiert.Filme von Frauen sind dabei seit langem eine Rarität, was immer wieder für heftige Diskussionen sorgte.

Umso überraschender mag da zunächst sein, dass Festivalleiter Thierry Fremaux die 68. Internationalen Filmfestspiele kommenden Mittwoch  mit dem Werk einer Regisseurin, "La tete haute" von Emmanuelle Bercot, eröffnet. Die Einschränkung auf diese Ankündigung folgte allerdings schnell.

Sozialkritik

Der Film läuft nämlich außer Konkurrenz und wird nicht um die Goldene Palme konkurrieren. Der Wettbewerb bleibt bis auf zwei Ausnahmen wieder eine Männerdomäne. Nichtsdestoweniger könnte die Französin Bercot mit ihrem Werk einen Vorgeschmack auf die diesjährige Auswahl geben. "La tete haute" erzählt, wie eine Jugendrichterin (Catherine Deneuve) einen jungen Kleinkriminellen wieder auf die richtige Bahn bringen will.

Sozialkritik gleich zum Auftakt, das gab es selten, meist stand da Glamour im Vordergrund. "Wir wollten das Festival mit einem etwas anderen Film eröffnen, einer, der mutig und gleichzeitig bewegend ist", erklärte Fremaux. Überhaupt scheinen sich in den darauffolgenden Tagen häufig gesellschaftskritische Töne mit Startrubel zu verbinden.

Promidichte

Eine besonders hohe Promidichte wird in Südfrankreich für die Filme außer Konkurrenz erwartet: Woody Allen bringt für "Irrational Man" um einen hadernden Philosophieprofessor Joaquin Phoenix und Emma Stone auf der Leinwand zusammen. George Miller lässt seine legendäre Filmfigur "Mad Max" nach rund 30 Jahren wiederauferstehen und zeigt den mit Spannung erwarteten neuen Teil "Fury Road" mit Tom Hardy und Charlize Theron an der Cote d'Azur. Und Oscar-Preisträgerin Natalie Portman ("Black Swan") darf ihr Regiedebüt "A Tale of Love and Darkness" in einer Sondervorführung vorstellen.

Österreich nur am Rande

Auch ein Österreicher mischt sich unter das Treiben an der Croisette: Der Wiener Experimentalfilmemacher Peter Tscherkassky zeigt seinen Kurzfilm "The Exquisite Corpus" in der renommierten Reihe "Quinzaine des Realisateurs" und feiert damit zum dritten Mal eine Uraufführung in Cannes. Die in 35mm gestaltete, 19-minütige Arbeit hat den langsamen Tod des analogen Films zum Thema. Ein Vater-Tochter-Wochenende behandelt der Deutsche Patrick Vollrath in der österreichisch-deutschen Koproduktion "Alles wird gut" mit Simon Schwarz: Der Kurzfilm, der in der "Semaine de la Critique" läuft, ist im Rahmen seines Regiestudiums unter Michael Haneke an der Filmakademie Wien entstanden und wurde bereits beim Max-Ophüls-Festival ausgezeichnet.

Im offiziellen Wettbewerb indes sucht man österreichische Beiträge vergeblich. Dafür bekommen beben etablierten Regisseuren dieses Mal gleich mehrere vielversprechende jüngere Talente die Chance aufs Rampenlicht. Yorgos Lanthimos etwa ist einer der bekanntesten Jungregisseure Griechenlands. Nun schickt er die dystopische Zukunftsvision "The Lobster" mit Colin Farrell und Rachel Weisz ins Palmen-Rennen.

Auch der Australier Justin Kurzel ist dabei: Sein "Macbeth" mit dem Deutsch-Iren Michael Fassbender und Oscargewinnerin Marion Cotillard könnte - ersten Bildern zufolge - eine äußerst düstere und rohe Angelegenheit werden. Die Französin Valerie Donzelli hingegen, eine von gerade mal zwei Frauen im 19 Werke umfassenden Wettbewerb, erzählt mit "Marguerite et Julien" eine Inzestgeschichte um die Liebe zweier Geschwister.

Highsmith-Verfilmung

Zu den bekannteren Namen in der Palmen-Auswahl gehört Jacques Audiard, der nach seinem Erfolg "Ein Prophet" nun mit "Dheepan" eine Flüchtlingsstory aus Frankreich vorlegt. Paolo Sorrentino (Oscar für "La Grande Bellezza") lässt in "Youth" Michael Caine und Harvey Keitel über das Leben sinnieren. Aus den USA kommen Gus Van Sants "The Sea of Trees", in dem Matthew McConaughey am Fuji Selbstmord begehen möchte, sowie "Carol" von Todd Haynes, in dem Cate Blanchett und Rooney Mara nach einer Romanvorlage von Patricia Highsmith eine lesbische Liebe erleben.

Für Spekulationen, wer am Pfingstsonntag die Goldene Palme gewinnt, ist es natürlich noch viel zu früh. Angesichts der starken Konkurrenz dürften der Jury unter Vorsitz der Brüder und mehrfachen Oscarpreisträger Ethan und Joel Coen ("No Country for Old Men") allerdings einige Diskussionen bevorstehen.