Aufgestellt, eingehüllt, abgedeckt, abgewaschen. Mit einem Wahlplakat einer fiktiven Partei verhalf der japanische Künstler Yoshinori Niwa dem steirischen herbst heuer zu einem Aufreger, der sogar die Polizei einschreiten ließ. Das in blau gehaltene Sujet der EPÖ – „Ehrlichste Partei Österreichs“ – warb mit „Jedem das unsere“ und mahnte damit, erklärte herbst-Intendantin Ekaterina Degot, die Demokratie zur Wachsamkeit angesichts des Erstarkens des Rechtspopulismus.
Zwei Wahlen später analysiert die in Russland geborene Kulturkuratorin trocken: „Jedes Wahlergebnis ist auch eine Momentaufnahme der geistigen Verfassung der Gesellschaft. Kultureinrichtungen, Schriftsteller:innen, Künstler:innen, die jetzt vielleicht entsetzt sind über das, was sie gesehen haben, müssen sich nicht an diese Gesellschaft anpassen. Aber sie müssen handeln, genauer hinschauen, nachdenken, analysieren und ihre Stimme erheben“, fordert Degot, nur dann werde die Momentaufnahme beim nächsten Mal anders ausfallen.
Konsequenzen für „Fürstenfeld“-Hit
„Ich habe seit einigen Tagen Magenbeschwerden, und das Wahlergebnis hat nicht zu meiner Gesundung beigetragen“, erzählt S.T.S.-Legende Schiffkowitz, der sich fassungslos zeigt, „dass eine Partei, die nur auf Spaltung und Ausgrenzung setzt, so viele Stimmen bekommen hat. Ich verstehe es einfach nicht.“ Allen voran das Thema Migration werde von dieser Partei ausschließlich menschenverachtend behandelt: „Ja, es gibt in diesem Bereich Probleme, über die man ruhig reden müsste, aber das ist in diesem vergifteten Klima nicht mehr möglich.“
Seine Reaktion auf den Wahlerfolg in seiner Heimatgemeinde Sinabelkirchen – die FPÖ erreichte dort über 50 Prozent – werde man auch hören können, kündigt Schiffkowitz an: „Sollte ich je wieder das Lied ,Fürstenfeld′ singen, wird im Text nur Stinatz und Graz vorkommen.“ Als Demokrat nehme er das Wahlergebnis aber natürlich zur Kenntnis, betont er, und ist gespannt, wie die Partei die anstehenden Probleme lösen werde.
Ausseer Skepsis
Auch für den erfolgreichen Autor der Aussee-Krimis, Herbert Dutzler, steht fest: „Rechte Parteien sind zwar gut im Benennen von Problemen und im Aufstacheln von Gefühlen, aber unfähig, komplexe Probleme zu lösen.“ Stattdessen würden undurchführbare Brachiallösungen angekündigt, beobachtet der Schriftsteller. Was der Kulturszene droht, sehe man am Beispiel Slowakei: „Kultur, die nicht dem eigenen Verständnis entspricht, wird zum Schweigen gebracht.“
Sorgen um Kulturszene
„Ich habe große Sorgen um die Kulturszene in der Steiermark“, erklärt Edith Draxl nach dem Wahlergebnis. Die Vorsitzende des Steirischen Kulturkuratoriums und Leiterin von UniT betont, dass es mehr denn je eine Vielfalt in der Kultur braucht: „Nur das gewährleistet eine demokratische Gesellschaft. Für die gilt es einzutreten.“
Für die Intendantin des Grazer Schauspielhauses spiegelt die Landtagswahl den Trend wider, die Dinge bis aufs Äußerste zu vereinfachen. „Aber das wird uns der Wahrheit nicht näherbringen und die Probleme unserer Zeit nicht lösen“, sagt Andrea Vilter und fügt an: „Ich bin davon überzeugt, dass die Welt komplexer ist und wir in der Kunst und im Theater weiter daran arbeiten müssen auch die Widersprüchlichkeit und Diversität zu erzählen. Ich hoffe, dass es dafür auch weiterhin genügend Kräfte gibt und Menschen, die daran glauben“, schließt die Theaterchefin ihr Statement.
Die Kabarettistin und Autorin Ulrike Haidacher – zuletzt erschien mit „Malibu Orange“ ihr zweiter Roman – sieht die Steiermark auf der Schiene eines weltweiten Trends: „Die einen fürchten sich vor dem Erwartbaren, dem Schlimmsten, das auch konsequent und ohne Überraschung eintritt. Das für die einen Schlimmste tritt ein, nicht einfach so, sondern weil die anderen finden, es muss sich was ändern.“ Gespannt könne man nun beobachten, „was sich ändern wird, wenn Politiker, deren kleinstes Problem ist, dass ihnen Korruption vorgeworfen wird, das Land regieren“, verweist die Grazerin indirekt auf die Korruptionsvorwürfe.
Kritik an der Vorwahlberichterstattung der Medien adressieren wiederum Reni Hofmüller und Ilse Weber vom esc medien kunst labor: „Wochenlang wurde in Schlagzeilen darüber informiert, dass ein rechter Kandidat Bundeskanzler oder zumindest Landeshauptmann wird. Auch das wirkt – wie wir jetzt wissen.“ Verantwortung für den Zuspruch für rechte Parteien sehen die beiden Leiterinnen der steirischen Medienkunstinstitution aber auch bei den anderen Parteien: „Rechte Sprache, Standpunkte und Inhalte zu übernehmen, Rechte an Regierungen zu beteiligen“ helfe am Ende nur den rechten Parteien.
Hofmüller und Weber vermissen Parteiprogramme, die eine positive Entwicklung zeichnen und bewerkstelligen, und warnen davor, den wirtschaftlichen Fokus nur auf Sparmaßnahmen zu legen: „Wenn Politiker:innen endlich anfangen würden, treffsicherere Steuergesetze zu machen, könnte - ohne jemandem wirklich zu schaden – genug Geld investiert werden – in Pensionssicherung, Gesundheitssystem, Kinderbetreuung, Bildung, Wissenschaft, usw. und nicht zuletzt in Kunst!“