Es ist still geworden auf der Kerschbaumeralm. Keine Glocken, kein Blöken, kein Leben. Dort, wo noch vor wenigen Tagen fast 300 Schafe grasten, liegt nun Leere. Denn was hier drei Osttiroler Schafbauern vorfanden, war mehr als nur das jähe Ende eines Almsommers. Es war ein Bild, das unter die Haut geht: verstörte Schafe, blutige Kadaver. „Nach leider sehr kurzem Almsommer mussten wir unsere Tiere ins Tal holen. 50 Schafe sind leider tot“, schreibt Paul Lugger, einer der Betroffenen, in einem Facebook-Post. Die Worte sind sachlich. Keine Wut, keine Schuldzuweisungen. Nur ein Mensch, der seine Tiere verloren hat – und mit ihnen ein Stück seines Lebens. „Nach 14 Stunden Fußmarsch und Tierleid ohne Ende wird man nachdenklich, wie es in Zukunft weitergehen soll?“ Mit einem Dutzend Helfern brachten Lugger und seine Kollegen die überlebenden Tiere ins Tal zurück.

Zweiter Wolfsriss in zwei Jahren

„46 Schafe haben gefehlt“, sagt Lugger. „Eines musste noch notgeschlachtet werden. 31 davon waren von mir. Den Rest haben die anderen zwei Bauern verloren.“ Doch von ihnen liegen noch keine konkreten Zahlen vor. Insgesamt wurden 296 Schafe aufgetrieben – der Verlust ist verheerend. Und es ist nicht das erste Mal: Schon im Vorjahr wurden rund 30 Tiere von einem Wolf gerissen – auch damals war Paul Lugger betroffen.

Das Land Tirol reagierte mit einer neuerlichen Abschussverordnung für einen „Schadwolf“ in Osttirol. Sie gilt bis Mitte August, die Jägerschaft wurde informiert. Doch für Paul Lugger kommt jede Reaktion zu spät. Von den fast 300 Schafen waren 13 mit GPS-Sendern ausgestattet. „In diesen zwei Wochen war immer einer von uns oben. Wir sind alle Nebenerwerbsbauern, bei uns ist alles zeitlich knapp“. Und dennoch konnte der Angriff nicht verhindert werden. Ob die Herde heuer wieder aufgetrieben wird, ist ungewiss. „Das müssen wir uns anschauen, und hängt davon ab, ob der Wolf erlegt wird“, sagt Lugger.

Politik mit spitzer Zunge

Und noch während der Schock tief sitzt, äußert sich FPÖ-Landesparteiobmann Markus Abwerzger in einer Pressemitteilung. Er spricht vom „Wolfsgemetzel“ und attackiert die ÖVP scharf: „Das jahrelange Zaudern in der Wolfsfrage hat zu einem massiven Anstieg gefährlicher Beutegreifer geführt.“ Die geplante Novelle des Tiroler Jagdgesetzes, die ab 2026 präventive Abschüsse erlauben soll, komme laut Abwerzger „zu spät“. Es sei ein politisches Versagen, das nun auf dem Rücken der Bauern ausgetragen werde. Am Ende bleibt ein Wunsch. Kein lauter. Kein wütender. Sondern ein ehrlicher, stiller: „Wir wünschen uns, dass wir unsere Schafe wieder ohne Angst auf die Alm lassen können.“