Alle helfen zusammen, um Gilbert Kohlhuber mit seinem schweren Elektro-Rollstuhl durch den aufgeweichten Boden und den Schnee zu schieben. Einer seiner Bergrettungs-Kollegen hatte die Idee, mit Bierbänken Schienen zu legen, über die er fahren kann. Seit einem schweren Kletterunfall am 14. Juni des Vorjahres war der 31-Jährige erst zweimal zu Hause, dieses Wochenende ist ein besonderes, denn er trifft wieder viele seiner Kameraden der Bergrettung Lieser- und Maltatal.

Alle Helfen zusammen, um den Rollstuhl durch den Schnee zu schieben
Alle Helfen zusammen, um den Rollstuhl durch den Schnee zu schieben © Martina Pirker

Für ihren Freund „Chilly“ organisierten sie einen Benefiz-Skitourenlauf auf den Schilchernock (2270 Meter) im Schönfeld. In die Berge und auf Kletterfelsen hat es Kohlhuber von klein auf gezogen. Daher wurde der gelernte Koch und Gastronom im Sommer von einer Mitarbeiterin gebeten, ihren siebenjährigen Sohn im Klettergarten „Kreuzwand“ im Maltaltal zu sichern.

Gilbert Kohlhuber war in der Ausbildung zum Bergretter
Gilbert Kohlhuber war in der Ausbildung zum Bergretter © Johannes Stoxreiter

Doch dieser schöne Sommertag sollte Kohlhubers Leben für immer verändern: „Der Bub war gut im Klettern und flink, doch als er am Ende der Wand angelangt war, überkam ihn Panik, er zitterte am ganzen Körper und verkrampfte sich am Seil.“ Der Bergretter-Anwärter zögerte keine Sekunde und stieg rund acht Meter zu ihm hinauf: „Ich habe versucht ihn zu beruhigen und ihn fest an meine Brust gedrückt. Beim Abseilen machten wir auf einem Felsvorsprung einen kurzen Zwischenstopp. In diesem Moment schnellte das bisher angespannte Seil zurück und warf im Bereich des Karabiners eine riesige Schlaufe, deren Wucht es schaffte, ihn zu öffnen.“

„Ich wäre fast erstickt“

Dann begann der Sturz. Kohlhubers größte Sorge war, dass der Bub unter ihm landen würde: „Ich drückte ihn fest an meine Brust, spannte alle Muskeln an und hoffte, dass wir nicht allzu hart landen würden.“ Doch der Aufprall war für Kohlhuber hart. Hals- und Brustwirbel sowie elf Rippen waren gebrochen. Der Bub kam wie durch ein Wunder mit leichten Verletzungen davon. „Nach dem Aufprall bekam ich keine Luft mehr. Hätte mir die Mutter des Buben den Kopf nicht überstreckt, wäre ich erstickt.“ Sie setzte die Rettungskette in Gang. Als er sich in der Obhut von Bergrettung, Notärzten und des Teams des Rettungshubschraubers wusste, konnte er loslassen.

Kohlhubers Eltern Thomas und Waltraud sowie Stefan Schiffer
Kohlhubers Eltern Thomas und Waltraud sowie Stefan Schiffer © Martina Pirker

Im Krankenhaus Klagenfurt wurde er notoperiert, mehrere Tage schwebte der Liesertaler in Lebensgefahr. „Als ich einige Tage danach aufwachte, konnte ich nicht sprechen und mich nicht bewegen, aber ich war bei vollem Bewusstsein.“ Die Diagnose: „Inkomplette Querschnittlähmung“, das heißt, dass die Nerven stark geschädigt, aber nicht vollständig durchtrennt sind. „Ich fiel in ein tiefes Loch, doch ich habe mich schnell gefangen. Meine Familie, die Kameraden der Bergrettung sowie alle Ärzte und Mitarbeiter in den Krankenhäusern Klagenfurt und Villach und in der Rehabilitationsklinik Tobelbad haben mich wieder herausgerissen.“ Für die „großartige medizinische und menschliche Betreuung“ möchte er sich bei Primar Ernst Trampitsch und dessen Team von der Intensivstation Villach bedanken.

Gilbert Kohlhuber mit Johannes Stoxreiter, Matthias, Sabrina, Nico und Elias Baier
Gilbert Kohlhuber mit Johannes Stoxreiter, Matthias, Sabrina, Nico und Elias Baier © Martina Pirker

„Gilbert ist ein echter Kämpfer“

Ein riesiger Motivationsschub war am Samstag der Tourenlauf, bei dem 118 Bergretter und Private an den Start gingen. „Jeder Schritt der von ihnen gesetzt wurde, bringt mich einen Schritt weiter“, ist Kohlhuber überwältigt. Seine Schwester Sandra Hofer lebt in Tirol und ist Krankenschwester. Sie betreut ihn bei seinen Besuchen zu Hause rund um die Uhr: „Wir sind beeindruckt, wie stark er ist.“ Bergretter und bester Freund Matthias Baier bestätigt: „Er ist ein echter Kämpfer und kann mit seinem Optimismus heute bestimmt viele Menschen motivieren.“

Die Teilnehmer erreichten den Schilchernock
Die Teilnehmer erreichten den Schilchernock © Peter Steiner

Sehr ambitionierte Ziele hat sich Kohlhuber gesteckt: „Ich will wieder auf einem Gipfel stehen und wieder meine Leidenschaft fürs Kochen ausleben.“ Im Tobelbad machte er große Fortschritte: „In den ersten Wochen konnte ich nur meinen Kopf bewegen, mittlerweile auch meine Arme und ich hoffe, dass Hände und Finger bald folgen.“ Seinen E-Rolli will er bald mit den Händen und nicht mehr mit dem Kopf steuern.

Heinz Wegscheider, Eva Selinger (Rotes Kreuz), Sandra Hofer und Thomas Pagitsch (Rotes Kreuz) betreuten Kohlhuber am Samstag
Heinz Wegscheider, Eva Selinger (Rotes Kreuz), Sandra Hofer und Thomas Pagitsch (Rotes Kreuz) betreuten Kohlhuber am Samstag © Martina Pirker

Wenn er am 10. April aus dem Tobelbad entlassen wird, steht der barrierefreie Umbau seines Hauses am Burgstallberg in Krems an. Ein Außenlift und elektrische Schiebetüren sind der größte finanzielle Brocken. Außerdem wird er vorläufig 24-Stunden-Pflege benötigen. Darüber zerbricht er sich am Samstag nicht den Kopf, der Tag im Schönfeld ist einfach zu schön. Johannes Stoxreiter, Leiter der Bergrettungs-Ortsstelle Lieser- und Maltatal, ist gerührt, dass Kohlhuber die Siegerehrung mit so viel Humor über die Bühne gebracht hat. Kohlhubers gewinnendes Lächeln ist den vielen Unterstützern der schönste Dank. Darunter auch seine Eltern Waltraud und Thomas, Guido und Stefan Schiffer von der örtlichen Skischule, die das Rennen abgewickelt haben, die Wirtsfamilie Aschbacher, welche die Teilnehmer mit Gratis-Getränk und Würstel versorgt haben sowie Heinz Wegscheider, der im Namen der Firma „Monel“ Kohlhubers Transport samt Rollstuhl übernommen hat.

Einer seiner Kollegen im Tobelbad ist der Motocross-Rennfahrer Matthias Walkner
Einer seiner Kollegen im Tobelbad ist der Motocross-Rennfahrer Matthias Walkner © Kk/privat

Kohlhuber sitzt gelassen in seinem Rollstuhl und sagt, dass der Unfall einen anderen Menschen aus ihm gemacht hat: „Ich war jobbedingt gestresst, getrieben und zwischenzeitlich auch in einem Burnout. Jetzt genieße ich jeden Moment und bin ich ausgeglichener und dankbarer als je zuvor in meinem Leben.“ Gute Nachrichten gibt es am Samstag von den Bergrettern: Über 5000 Euro an Spenden konnten sie ihrem „Chilly“ symbolisch überreichen.