Die genaue Mülltrennung war neu. Und dass der öffentliche Verkehr pünktlich ist, war überraschend, erzählt Yuliia Kriukova von ihren Erfahrungen im Kärntner Alltag. Im März 2022 ist sie mit ihrer damals siebenjährigen Tochter Valeria aus der ukrainischen Stadt Charkiw geflohen. Als die Bombeneinschläge auch im Zentrum der Grenzstadt Häuser zerstörten und sie sich sogar sechs Tage lang in einem U-Bahnhof verschanzen mussten, ist die Entscheidung gefallen.

Eine Entscheidung, die Kriukova auch heute noch in Österreich sein lässt – das Bestmögliche für Valeria. „Ich denke mir oft, wenn der Winter vorbei ist, gehe ich wieder zurück, aber für meine Tochter ist es hier wohl besser“, sagt Kriukova. Die 37-Jährige hat Uni-Abschlüsse in Wirtschaft und Sprachwissenschaften, hatte einen Job als Finanzmanagerin, ihr Mann, ein Vertriebsleiter, durfte nicht ausreisen.

Vor einem Jahr mussten sie vor Bomben im U-Bahnhof für sechs Tage Schutz suchen
Vor einem Jahr mussten sie vor Bomben im U-Bahnhof für sechs Tage Schutz suchen © Privat

In Kärnten besteht der Tag aus Arbeit bei einer Palettenfirma in Klagenfurt, vier Stunden Deutschkurs täglich und lernen mit Valeria – nicht nur für die Volksschule in Feldkirchen, sondern auch Ukrainisch. „Ich habe bei McDonald’s gearbeitet, aber das geht sich zeitlich mit Valeria nicht aus. Andere Firmen haben mir abgesagt – sie stellen keine Ukrainer ein, weil diese nach Hause gehen könnten.“ Zweimal täglich telefoniert sie mit ihrer Familie zu Hause. „Mein Mann ist jetzt freiwilliger Helfer und organisiert Lebensmittel, Kleidung und auch Hilfe für Soldaten.“

Frisch gekocht: Valeria mit ukrainischen Wareniki
Frisch gekocht: Valeria mit ukrainischen Wareniki © Privat

Doch das Heimweh nimmt oft Überhand. Im Gespräch kullern der Frau immer wieder Tränen über das Gesicht, ihre Stimme stockt und man fühlt ihre Einsamkeit, ihr Heimweh und die Vernunft, die sie ermahnt, Valeria eine Kindheit außerhalb eines Kriegsgebietes zu bieten. „Ich wache oft morgens auf und denke: Lieber Gott, lass das alles einen Albtraum gewesen sein“, sagt sie. Auch Valeria sehnt sich nach Zuhause: „Meine Tochter schrieb einen Brief an den Nikolaus, aber am Morgen, bevor sie zur Schule ging, bat sie nochmals um einen Bleistift. Sie wollte etwas hinzufügen. Ich brachte ihr einen Bleistift und fragte, was sie fertig machen wolle. Ihre Antwort: Ich habe vergessen zu schreiben, dass ich Frieden in der Ukraine will und nach Hause zurückkehren möchte. Und vielleicht wird plötzlich Frieden kommen und der Weihnachtsmann gibt mir ein Ticket nach Hause“, erzählt Kriukova.

© Privat

Sie blickt so positiv wie möglich auf die Situation, in der sie viel Hilfe und Freundlichkeit in Kärnten erfährt. In der Wohnung von Harald Jordan und Dagmar Grohmann hat sie eine gute Unterkunft gefunden. Kriukova hat wieder angefangen zu malen – bunte Aquarelle, die sie Freunden schenkt. Aber auch ein Traktor, der einen ukrainischen Panzer zieht – Themen, die sie sich noch im Jänner vor einem Jahr nicht vorstellen konnte. Mit Tochter Valeria kocht sie ukrainische Gerichte. Die Schülerin ist auch eine begabte Tänzerin und tanzt nicht nur in der Tanzakademie Ulrike Adler-Wiegele, sondern auch bei einem ukrainischen Tanzkurs. Sie versuchen, ein möglichst normales Leben zu führen und schauen sich nicht nur Kärnten, sondern auch Österreich an.

Ausflüge werden genossen

Denn eines kennen Ukrainer auch nicht so wie wir: Ausflüge. „Wir fahren zwei bis drei Mal im Jahr auf Urlaub. Aber am Wochenende auf den Berg, so etwas gibt es nicht.“ Mit Valeria genießt sie das: „Wir waren schon in Venedig, Hallstatt, Wien und Graz.“ Doch das Heimweh kann in der Ferne nicht geheilt werden.