In seinem Fall wird ein gängiges Sprichwort mit Leben erfüllt. Im wahrsten Sinne des Wortes. Wenn Alexander Urban vom Duft der großen, weiten Welt spricht (was er so gar nicht tut), dann taucht man unwillkürlich in das faszinierende Universum von Parfums ein. Da ist der Klagenfurter in seinem Element und hat viel zu erzählen. Dabei war es eher Zufall, dass er sich nach dem Studium der Filmwissenschaften von einem Freund dazu überreden ließ, ins Marketing der Duftindustrie einzusteigen. Also in den Markt von Duftstoffen und Aromen, dessen globales Umsatzvolumen auf rund 22 Milliarden Euro geschätzt wird.

Urban startete bei bekannten Parfümmarken wie Estée Lauder, ehe er bei den Branchenriesen wie Takasago anheuerte. Mit dem Knowhow und den gesammelten Erfahrungen bei diesen größten Duft- und Aromaherstellern der Welt wagte der Sohn eines Dentisten vor sechs Jahren den Sprung in die Selbstständigkeit. „Du lernst viel bei großen Unternehmen, aber irgendwann willst du deine eigenen Ideen umsetzen“, sagt Urban heute über die Beweggründe der beruflichen und privaten Veränderung. Seine „beste Entscheidung“ sagt er und zeigt ein Bild seiner Ehefrau Marie. Die gebürtige Französin ist gelernte Chemikerin und hat mit 13 ihr erstes Schülerpraktikum bei einer Kosmetikfirma absolviert. Die Absolventin der Versailler Parfümerieschule ist gefragte Spezialistin. Eine von wenigen hundert weltweit, die unterschiedliche Düfte erschafft.

Duftnoten auf der ganzen Welt setzen

Die Wege der beiden haben sich erstmals in Paris gekreuzt und sind dann in dem seit 2014 bestehenden kleinen, feinen Unternehmen in Berlin-Charlottenburg gemündet. „Urban-scents“, so der Firmenname, steht für Urban(e) Düfte. Dahinter verbirgt sich die kongeniale wie kreative Partnerschaft von zwei Menschen, die an einem großen Ziel arbeiten: Duftnoten in unterschiedlichsten Formen auf der ganzen Welt zu setzen. Es sind nicht nur Auftragsarbeiten für andere Marken, sondern auch mittlerweile acht Düfte, die die streng geheime Handschrift der zierlichen Chefin tragen. 500 Zutaten stehen auf den Regalen in dem ans Verkaufslokal angeschlossene Labor unweit des Kurfürstendamms. Eine Mischung aus natürlichen und künstlichen Stoffen. Ein Duft vereint zwischen 30 und 60 dieser unterschiedlichen Essenzen.

Marie Urban-Le Febvre in ihrer „Werkstatt“: Die Parfümeurin erschafft aus 30 bis 60 Stoffen einen Duft. Der Prozess dauert drei bis sechs Monate
Marie Urban-Le Febvre in ihrer „Werkstatt“: Die Parfümeurin erschafft aus 30 bis 60 Stoffen einen Duft. Der Prozess dauert drei bis sechs Monate © Privat/Urbanscents

Dementsprechend lang dauert die Fertigstellung. Über drei bis sechs Monate erstreckt sich der aufwendige Prozess für eine neue Duftnote.
Was auch die hohen Verkaufspreise für Endabnehmer erklärt. Neben dem Zeitaufwand spielen auch die Rohstoffkosten bei der Gesamtkalkulation keine unmaßgebliche Rolle. Rosen mit dem besten Duft beispielsweise kosten bis zu 25.000 Euro das Kilo. Die kommen übrigens aus Grasse. In der südfranzösischen Stadt soll im 17. Jahrhundert die Geburtsstunde des Parfüms geschlagen haben. Gerber haben damals duftende Öle auf ihre Handschuhe geträufelt, um den üblen Geruch während der Arbeit zu vertreiben.

Zurück in die Berliner Duftzentrale: Während Marie sich um die richtige Mixtur bei der Kreation kümmert, setzt Alexander seinen Schwerpunkt auf Marketing und Verkauf. Und da hat die grassierende Corona-Pandemie und der damit oft verbundene Verlust des Geruchs- und Geschmackssinns bei Infizierten die beiden auf die Idee gebracht, einen Heilbehelf zu entwickeln. Urban: „Riechen erscheint uns als selbstverständlich. Erst wenn man es nicht mehr kann, wird einem bewusst, welchen Einfluss das auf unser Leben hat.“ Deshalb engagiert sich „Urban Scents“ aktuell bei einem Forschungsprojekt von deutschen Medizinern, die sich mit den neurologischen Folgewirkungen bei Covid19-Patienten auseinandersetzen.

Ein vielversprechender Therapieansatz für alle, die unter Geruchsstörungen leiden, könnte das „Smelling Training Set“ sein, das bereits in Apotheken erhältlich ist. Fünf Fläschchen mit fünf verschiedenen, natürlichen Düften wie Zitrone oder Eukalyptus sollen dafür sorgen, dass bei regelmäßigem Riechtrainig im besten Fall der Geruchs- und Geschmacksinn wieder ganz zurückkehrt.

Heilbehelf zur Wiedererlangung des Geruchssinns.
Heilbehelf zur Wiedererlangung des Geruchssinns. © urbanscents

Auch bei anderen klinischen Kooperationsprojekten setzt das Ehepaar auf duftende Akzente. Also „olfaktorische Identitäten“, wie sie in der Fachsprache heißen. In Zusammenarbeit mit der Berliner Charité-Klinik läuft ein Experiment, das den Einfluss von speziellen Düften auf Heilungsprozesse und Wohlbefinden von Patienten und medizinisches Personal auf einer Krebsstation erforscht. Auch in Museen wie dem Louvre in Abu Dhabi oder dem Museum für deutsche Geschichte in Berlin durchströmen spezielle Urban-Düfte die Räume. Ebenso in vielen Hotels.

Lüfte und Düfte gehören wohl auch zusammen: Die Inhaber eines Privatpilotenscheins greifen im Cockpit abwechselnd ans Steuer. Sohn Carl freut‘s
Lüfte und Düfte gehören wohl auch zusammen: Die Inhaber eines Privatpilotenscheins greifen im Cockpit abwechselnd ans Steuer. Sohn Carl freut‘s © Privat/Urbanscents


Wenn dazwischen Zeit bleibt, gehört Sohn Carl die ganze Aufmerksamkeit. Und dem gemeinsamen Hobby: der Fliegerei. Wohl deshalb ziert auch ein Flugpropeller das Firmenlogo von „Urban scents“. Beide sind im Besitz eines Privatpilotenscheins.