Fertig für heute! Mert (10) packt Deutschheft und Buch zurück in die Schultasche. Doch da hat er die Rechnung ohne Ursula gemacht. Sie hat dem Volksschüler noch schnell zwei Mathematik-Aufgaben aufgeschrieben. „Er muss ein bisschen üben, er hat bald Schularbeit“, sagt die Klagenfurterin. Sie ist eine von 50 freiwilligen Lernhelfern, die regelmäßig im Lerncafé der Caritas in der Siebenhügelstraße aushelfen. 35 Kinder und Jugendliche im Alter von sechs bis 15 Jahren verbringen hier nach der Schule ihre Nachmittage. Sie erhalten kostenlose Hilfe bei den Hausaufgaben und beim Lernen.
Vor 15 Jahren wurde das erste Lerncafé in Kärnten, damals in Wolfsberg, eröffnet. Mittlerweile gibt es neun - vom Lavanttal bis nach Spittal. Denn es ist nicht allen Eltern möglich, ihre Kinder bei einer guten Schulausbildung zu unterstützen. Weil das Geld für Nachhilfe fehlt, weil oft auch die eigenen Deutschkenntnisse nicht ausreichend sind. „Die Nachfrage ist enorm“, sagt Karin Ibovnik, Leiterin der Lerncafés in Kärnten. 270 Kinder und Jugendliche werden aktuell im gesamten Bundesland betreut: „Und mehr als 200 sind auf unserer Warteliste.“ 90 Prozent von ihnen haben Migrationshintergrund.
14 Nationen
Im Lerncafé Siebenhügel sind 14 Nationen vertreten. Um 12.30 Uhr trudeln dort jeden Tag die ersten Schülerinnen und Schüler ein. „Sie bekommen nach der Schule erst einmal eine gesunde Jause“, sagt Zsuzsanna Eröss-Pilz, die Leiterin des Lerncafés in Klagenfurt-Waidmannsdorf. Gegen 14 Uhr geht es dann ans Erledigen der Hausübungen und ans Lernen. Rayan hat an diesem Tag Englisch auf. Der 13-Jährige ist erst seit diesem Schuljahr regelmäßig im Lerncafé: „Ich wohne in der Nähe. Es ist schön, dass man hier Hilfe bekommt.“ Nur einen Tisch weiter ist Werner Peschek gerade mit zwei Schülern mit Mathematik fertig geworden. Der pensionierte Universitätsprofessor kommt zweimal die Woche in die Siebenhügelstraße 64, gleich neben der Pfarrkirche St. Josef. Seit vier Jahren engagiert er sich hier ehrenamtlich: „Ich wollte etwas Sinnvolles machen und ich finde es schön, junge Leute zu unterstützen, die nicht immer auf der Sonnenseite des Lebens stehen.“
Spiel und Spaß
Draußen scheint die Sonne ungetrübt vom Himmel. Es ist ein warmer Frühlingstag. Im Lernsaal, wo die jüngeren Schüler in Zweier- oder Dreiergruppen zusammensitzen, wird es allmählich lauter. Die Kinder zieht es in den Garten. Denn Lerncafé bedeutet auch Spiel und Spaß. Und es bedeutet für Eröss-Pilz vor allem eines: Integration. Die Leiterin des Lerncafés weiß aus eigener Erfahrung, was es heißt, in ein fremdes Land zu kommen, der Sprache nicht mächtig zu sein. 1991 kam die gebürtige Rumänin als Au-Pair nach Klagenfurt: „Das war nicht leicht. Ich habe jeden Tag gelernt.“ Später studierte sie hier Pädagogik und Psychologie.
„Etwas zurückgeben“
Umso mehr liegt es Eröss-Pilz am Herzen, den Kindern und Jugendlichen eine Chance auf eine gute Ausbildung, auf einen guten Schulabschluss zu ermöglichen: „Im vergangenen Schuljahr haben hier bei uns alle Kinder und Jugendlichen den Aufstieg in die nächste Klasse geschafft.“ Kärntenweit liegt die Erfolgsquote bei 99 Prozent. Zu vielen ehemaligen Schülern bleibt die Verbindung, manche kommen mittlerweile selber als Freiwillige ins Lerncafé, „um etwas zurückzugeben“. Weil es auch die Hilfe des Lerncafés war, warum sie die Matura geschafft oder erfolgreich eine Lehre absolviert haben. „Das macht mich schon stolz“, sagt Eröss-Pilz, die das Lerncafé in Waidmannsdorf seit der Gründung 2011 leitet: „Wir haben damals mit fünf Kindern und drei Freiwilligen begonnen.“
Zwei Säulen
Sponsoren und freiwillige Lernhelfer seien die Säulen der Lerncafés der Caritas in Kärnten, betont Ibovnik. Von der Ärztin über den Baumeister bis hin zur Lehrerin - sie alle kommen in ihrer Freizeit oder in der Pension, um die Kinder und Jugendlichen zu unterstützen. Ibovnik: „Aktuell gibt es 210 Freiwillige in Kärnten, wir sind aber ständig auf der Suche nach neuen.“
Um 16.30 Uhr geht im Lerncafé in der Siebenhügelstraße der Nachmittag zu Ende. Zwei Stunden lang war Thomas Wenninger wieder für die Schüler da. Seit 14 Jahren ist er als Lernhelfer im Einsatz: „Es ist schön zu sehen, wie die Kinder weiterkommen und dass es Sinn macht, was man tut.“