Rund 2600 Alkolenker werden jedes Jahr in Kärnten aus dem Verkehr gezogen. In etwa 180 Fällen kommt allerdings jede Kontrolle zu spät. Da haben betrunkene Lenker bereits Unfälle verursacht oder waren an einem beteiligt, bei dem Menschen verletzt oder sogar getötet worden sind.

Ein solcher Alkolenker war Horst D.* – er war im Vorjahr in einen tödlichen Verkehrsunfall verwickelt. Über Vermittlung des Vereins Neustart war er bereit mit uns zu sprechen. Bereit, dem tödlichen Irrsinn „Alkohol am Steuer“ ein Gesicht zu geben. Wobei „Gesicht“ nicht stimmt. Der Mann wollte nur unter Zusicherung seiner Anonymität sprechen. Darum geben wir ihm einen anderen Namen und nennen ihn Horst D.

Der Alkolenker.

Horst D. ist ein junger, kräftiger Mann und nicht auf den Mund gefallen. Ein Arbeiter, beruflich viel unterwegs und das Trinken gewohnt. Auch während der Arbeit. „Mein Job war nicht leicht und körperlich fordernd. Da merkte man das eine oder andere Getränk nicht.“

Der Unfalltag.

An einem Tag im Vorjahr hatte Horst D. nicht gemerkt, wie viel er getrunken hatte, als er sich nach der Arbeit auf den Heimweg machte. „Hätte ich gemeint, dass ich nicht fahren kann, wäre ich nicht eingestiegen.“ Wie viel er getrunken hat? „Keine Ahnung.“ Später, bei der Nachschulung, hat er erfahren, wie viel Menge Alkohol etwa ein Glas Bier oder Wein enthält. „Dann habe ich wohl einiges getrunken.“

Der Unfall.

So „betankt“ ging es hinterm Steuer seines Autos heimwärts. „Es war meine Hausstrecke. Da bin ich so oft gefahren, ich kenne jede Kurve.“ Geholfen hat es nichts. Kurz vorm Ziel auf einer Landesstraße hat er „plötzlich ein entgegenkommendes Auto gesehen. Für Bremsversuche war es zu spät. „Dann hat‘s einen Klescher gemacht.“ Horst D. erlitt schwerste Verletzungen und wurde ins Krankenhaus gebracht. „Ich selbst kann mich an den Unfall nicht erinnern.“

Das Opfer.

Dass der andere Autofahrer den Unfall nicht überlebt hat, hat Horst D. im Spital erfahren. „Eine Krankenschwester hat mir gesagt, dass der Mann leider verstorben ist.“ Seine erste Reaktion: „So eine Scheiße. Das gibt es einfach nicht. Kenne ich ihn?“ Nein, er kannte den anderen Autolenker nicht.

Die Schuldfrage.

Die Schuldfrage war nach Auswertung von Horst D.s Blut eindeutig. „Mir war klar: Wenn sie mir Blut abnehmen, bin ich geliefert. Dann fliegt alles auf.“ Knapp einen Monat nach dem verheerenden Unfall bekam er von der Staatsanwaltschaft Klagenfurt die Anklage wegen grob fahrlässiger Tötung.

Die Hölle.

Schon nachdem er das Spital verlassen hatte, wurde ihm ein Teil der Rechnung für seine Alkofahrt präsentiert: „Ich hatte Freunde ohne Ende. Die, die übrig geblieben sind, kann ich jetzt an einer Hand abzählen.“ Er sei aus dem gesellschaftlichen Leben seines Heimatortes ausgeschlossen worden. Leute hätten sich weggedreht, wenn er gekommen sei.

„Meine Mutter hat oft geweint, weil sie glaubte, sie sei schuld“, sagt Horst D. Er habe ihr immer gesagt: „Mama, du hast nichts falsch gemacht. Das ist alles meine Schuld.“ Eine Schuld, an der Horst D.s Beziehung zerbrochen ist. „Ich kann sie verstehen: Das war sehr schwierig für sie.“

Er sei durch die Hölle gegangen, sagt er. Will er Mitleid? „Nein, sicher nicht. Ich weiß, was ich getan habe. Aber es war für mich auch nicht einfach.“

Die Prozesse.

Nach seiner Rückkehr aus der Rehabilitation stand er vor Gericht. „Ich habe der Richterin gesagt: Mir wäre lieber, ich wäre tot als er.“ Er hat sich entschuldigt, bereute seine Tat. Das Urteil: zwei Jahre unbedingte Haft. „Da ist für mich eine Welt zusammengebrochen. Ich muss in den Häfn. Auf einmal bist du ein Verbrecher.“

Er und sein Anwalt haben gegen das Urteil berufen. Das zuständige Oberlandesgericht reduzierte die Haftstrafe auf 15 Monate. „Da habe ich geweint vor Freude.“ Damit war eine Haft mittels elektronisch überwachtem Hausarrest möglich. Voraussetzungen dafür waren ein Ganzjahresjob, eine geeignete Unterkunft und eine Zusatzunfallversicherung.

Der Alkohol.

„Der Alkohol hat alles zerstört, was mir lieb war“, sagt Horst D. Seit April habe er keinen mehr getrunken. Die Auflagen für die Strafe haben dazu beigetragen. In D.s Wohnung steht ein Alkomat samt Kamera, der mit der Zentrale für den elektronisch überwachten Hausarrest verbunden ist. Zwei- bis dreimal täglich, immer zu anderen Zeiten, „ruft“ ihn der Alkomat mit einem Piepston und D. muss pusten. Passt etwas nicht, gibt’s Ärger. Bisher passte immer alles.

Die Ziele.

„Ich will wieder in Freiheit leben, meine Schulden bezahlen, die durch den Unfall entstanden sind, und mein Leben wieder in den Griff bekommen “, so Horst D. „Mein größter Wunsch ist es aber, wieder eine Partnerin zu finden und glücklich leben.“ Und er will das Grab des toten Autolenkers besuchen. „Das braucht alles seine Zeit, das ist schwierig.“

Dass er noch jemals wieder alkoholisiert mit dem Auto fährt, schließt Horst D. kategorisch aus. „Wenn ich das noch einmal mache, ist mir nicht mehr zu helfen. Dann gehöre ich weggesperrt!“