„Fragiler denn je“ seien die weltweiten Bemühungen, die Klimaerhitzung auf 1,5 Grad Celsius einzubremsen, bedauerte Sameh Shourky dieser Tage in einem Interview. Der ägyptische Außenminister ist derzeit eine der zentralen Personen, die sicherstellen sollen, dass die einst in Paris entworfenen Klimarettungspläne nicht in Scherben zerbrechen. Seit Sonntag (6. November) fungiert der 70-Jährige als Gastgeber und Präsident der COP 27, der 27. UN-Weltklimakonferenz, die den ägyptischen Ferienort Sharm El Sheikh mit bis zu 45.000 Teilnehmern zwei Wochen lang in Beschlag nehmen wird.

Schwierige Ausgangsbedingungen sind für Klimaverhandlungen an sich nichts Neues, doch diesmal ist die Gemengelage noch komplexer als sonst. Ein Grund dafür sind die Folgen des russischen Angriffskrieges in der Ukraine. „Der Impuls, die Energiekrise zu entschärfen, ist derzeit viel größer als jener, den Klimawandel aufzuhalten“, konstatiert Niklas Höhne, Leiter des New Climate Institute in Köln. Als Folge seien die meisten Staaten bisher ihren Klima-Versprechungen, die sie vor einem Jahr bei der Vorgängerkonferenz in Glasgow abgegeben hatten, nicht nachgekommen. „Das ist mehr als ärgerlich“, sagt Höhne.

(Zu) wenig Ambition

Tatsächlich hatten sich sämtliche 196 Staaten im „Glasgow Climate Pact“ darauf geeinigt, ihre jeweiligen nationalen Klimaziele bis zur heurigen Konferenz noch einmal nachzubessern, um dem Anspruch näherzukommen, den Klimawandel auf 1,5 bis 2 Grad globaler Erwärmung einzugrenzen. Nur 24 Staaten haben das (mit Stand September) tatsächlich getan. Konsequenzen hat das keine, die Nachbesserungen wurden nicht als Verpflichtung, sondern nur als Ersuchen („Request“) formuliert.

Wie viele Staaten in den kommenden beiden Wochen noch nachliefern, ist ungewiss. Zumal der Ukrainekrieg sich auch direkt auf die Verhandlungen schlagen könnte. Russland ist als viertgrößter Treibhausgasemittent politisch isoliert, was die Gespräche erschwert. Zudem herrscht zwischen China und den USA, dem weltweit größten und dem zweitgrößten Verschmutzer, seit der diplomatischen Eskalation um Taiwan Eiszeit. Im August hatte Peking die in Glasgow noch groß verkündete Zusammenarbeit der beiden Staaten beim Klimaschutz offiziell unterbrochen. Als Hoffnungsfunke für mehr Klimaschutz gilt dagegen der Präsidentschaftswechsel in Brasilien von Jair Bolsonaro auf Lula da Silva.

Streit ums liebe Geld

Große Würfe wie vor sieben Jahren in Paris stehen bei der heurigen Konferenz allerdings ohnedies nicht auf der Agenda. Ein neuer Klimapakt wird nicht verhandelt, stattdessen geht es um Umsetzungsmodalitäten und Nachschärfungen beim aktuellen. Und vor allem geht es ums liebe Geld. Vor mehr als zehn Jahren haben sich die Industriestaaten verpflichtet, den Entwicklungsländern finanziell bei der Bewältigung der Klimawende zu helfen. Ab 2020 sollten dafür jährlich 100 Milliarden Dollar in Form von Krediten und Direktzahlungen lukriert werden. Eine Zusage, die bisher nicht eingehalten wurde. Zuletzt sind laut UNO nur 83 Milliarden Dollar (primär in Form von Krediten) zusammengekommen. „Das wird die Gespräche in Ägypten schwer belasten“, sagt Wolfgang Obergassel, Experte für internationale Klimapolitik beim Wuppertal Institut für Klima, Umwelt und Energie.

In der Frage schwelt ein Streit um Gerechtigkeit, der immer tiefere Gräben zwischen den Ländern des globalen Südens und des globalen Nordens aufreißt. Die Entwicklungsländer haben historisch kaum etwas zur Klimamisere beigetragen und fühlen sich nun in Sachen Anpassung und CO₂-Vermeidung von den Hauptverursachern in den Industriestaaten alleine gelassen. Und nicht nur das. Auch für bereits eingetretene Klimaschäden fordern die Länder finanzielle Entschädigungen. Unter dem Stichwort „Loss & Damage“ soll nach ihrem Willen in Ägypten ein Finanzierungsmechanismus dafür geschaffen werden.

Ein Ansinnen, gegen das sich USA, EU und andere Industriestaaten erbittert wehren. „Das grundsätzliche Thema hat es inzwischen auf die Tagesordnung geschafft. Aber eine Lösung zeichnet sich nicht ab“, sagt Obergassel. Manche Beobachter fürchten sogar, dass die Konferenz an dieser Streitfrage scheitern könnte.