Umweltmusterland oder Nachzügler? Während sich die Vertreter aus fast 200 Staaten in Ägypten zur 27. Weltklimakonferenz treffen, rückt auch Österreichs Rolle beim Klimaschutz in den Fokus. Wo steht das Land also im internationalen Vergleich?

Nach den aktuellsten verfügbaren Daten entfielen 2020 rechnerisch auf jede Österreicherin und jeden Österreicher Emissionen von 8,3 Tonnen CO₂-Äquivalent. Damit rangiert die Republik im hinteren EU-Mittelfeld, einige Ränge besser als Deutschland (8,8 Tonnen pro Kopf), doch deutlich hinter Staaten wie Dänemark (7,2 Tonnen), Italien (6,4) oder Schweden (4,5).

Das war nicht immer so. Noch in den 1990er-Jahren stieß Österreich nicht zuletzt wegen seines hohen Wasserkraft-Anteils pro Kopf weit weniger Treibhausgas aus als der EU-Durchschnitt. Bezogen auf die Wirtschaftsleistung war das Land mit seinen Emissionen sogar europäischer Musterschüler, ist inzwischen aber auch hier um sechs Ränge abgesackt.

Klimapolitik im Wartesaal

Die Gründe dafür reichen weit zurück. Während mehrere andere Staaten, allen voran jene in Skandinavien, schon in den 1990ern und frühen 2000ern gezielt auf Emissionsminderung setzten, CO₂-Bepreisungen, Bahn-Ausbauoffensiven, Effizienzvorgaben und Klimagesetze einführten, ruhte sich Österreich lange auf seiner guten Ausgangslage aus. In der Folge wuchsen die Emissionen, gipfelten 2005 bei 92 Millionen Tonnen, sanken danach wieder leicht ab, um seit etwa zehn Jahren weitgehend zu stagnieren.

Für Österreichs Treibhausgas-Entwicklung bitte auf den Reiter in der Grafik klicken.

Heute ist Österreich (neben Irland, Spanien, Portugal und Zypern) eines von nur fünf europäischen Ländern, die es nicht geschafft haben, ihre Emissionen dauerhaft unter den Wert von 1990 zu drücken. Das, obwohl die heutigen 27 EU-Staaten insgesamt bereits um ein Drittel unter der Marke liegen.

Vor allem der Verkehrsbereich hat sich in Österreich mehr und mehr zum Klima-Problemkind entwickelt. Seit 1990 ist der CO₂-Fußabdruck auf Österreichs Straßen um 56 Prozent gewachsen. Zersiedelung durch fehlerhafte Raumplanung, relativ günstige Spritpreise und die jahrzehntelange Förderung des Pendelns mit dem eigenen Auto sind nur einige der Ursachen. "Erforderlich wäre eine strukturelle Änderung, die bis zu einem neuen Verständnis von Baustrukturen geht", sagt Stefan Schleicher, Klimaökonom an der Uni Graz.

Neue Siedlungsstrukturen

Lediglich alle Autos auf Elektrobetrieb umzustellen, ist für den Experten als Lösung zu kurz gedacht. "Das wird nicht genügen. Die Schweiz zeigt vor, wie man auf Flächen von einigen Hektaren ganz neue Siedlungsentwicklungen starten kann, die den Energiebedarf der Gebäude, aber auch den Mobilitätsbedarf anders abdecken", sagt Schleicher. Auch der gewaltige Bereich der Industrie sei in Österreich zu lange politisch links liegen gelassen worden. "Mittlerweile läuft da international ein starker Wettlauf um die besten emissionsmindernden Technologien. Österreich sollte dafür ein radikales Innovationsprogramm starten."

Radikales Innovationsprogramm nötig: Ökonom Stefan Schleicher
Radikales Innovationsprogramm nötig: Ökonom Stefan Schleicher © Sabine Hoffmann

Formal hat sich die Bundesregierung dem ehrgeizigen Ziel verschrieben, Österreich bis 2040 klimaneutral zu machen. Bereits 2030, so sieht es die Lastenteilung innerhalb der EU vor, muss die Republik die eigenen Emissionen um voraussichtlich 48 Prozent unter den Wert von 2005 drücken. Für beide Ziele sei das Land nicht auf Kurs, sagt Schleicher. Um das zu ändern, müssten Österreichs Emissionen ab heuer jedes Jahr um rund vier Millionen Tonnen sinken. Anzeichen, dass das geschehen wird, gibt es bislang nicht. Das Wirtschaftsforschungsinstitut erwartet für heuer zwar einen Emissionsrückgang, jedoch nur in der Höhe von 1,8 Millionen Tonnen. 2023 soll es mit minus 1,1 Millionen Tonnen abermals nur leicht bergab gehen.

Einen Notplan für den Fall eines noch weiteren Abkommens vom Klimakurs gibt es trotz drohender milliardenschwerer Strafzahlungen nicht. Das Klimaschutzgesetz, das Länder und Bund in so einer Situation zum Handeln zwingen würde, harrt vor allem auf Druck von Wirtschaftsverbänden seit Jahren seines Beschlusses.