Herr Minister, bei unserem letzten Interview vor drei Monaten haben Sie gesagt, Sie wollen in die Geschichte eingehen als Finanzminister, der sowohl keine neuen Schulden macht als auch den Menschen mehr Geld im Börsel gelassen hat. Jetzt ist das Nulldefizit jedenfalls Makulatur, wie ist es mit den Steuersenkungen?

Gernot Blümel: Wir befinden uns in der größten Gesundheits- und Wirtschaftskrise der Zweiten Republik. Dass hier die politischen Vorgaben von vor ein paar Wochen nicht mehr gelten, ist wohl jedem klar. Wir wollen jetzt so viel helfen wie notwendig, auch wenn wir dafür die Staatsverschuldung in die Höhe treiben.

Wo soll das Geld herkommen, diese Schulden zurückzuzahlen?

Wenn wir gut durch die Krise kommen, möglichst viele Arbeitsplätze und den Standort bestmöglich erhalten, können wir dieser Verschuldung in relativ kurzer Zeit wieder abbauen. Wir haben das auch nach der vorigen Wirtschafts- und Finanzkrise geschafft – und gleichzeitig Steuern gesenkt. Das könnte auch ein Modell für die Zukunft sein.

Welche Steuersenkungen schweben Ihnen da vor?

Das Regierungsprogramm gilt grundsätzlich nach wie vor, dort stehen viele gemeinsame Vorschläge. Wir müssen uns, sobald der Höhepunkt der Gesundheitskrise überwunden ist, über die nächste Phase Gedanken machen. Dazu wird es Gespräche auf allen Ebenen geben.

Laufen solche Gespräche nicht schon längst? Vorarlbergs Landeshauptmann Wallner (ÖVP) hat diese Woche vorgeschlagen, das Gewicht im Regierungsprogramm wird sich von der Ökologie weg verschieben müssen.

Das ist die Ansicht des Landeshauptmanns, ich kann das so nicht teilen. Das Regierungsprogramm gilt nach wie vor.

Auch auf EU-Ebene wird über Wege aus der Krise verhandelt. Österreich war bei den Staaten dabei, die „Eurobonds“, also gemeinsame Schulden aller Eurostaaten, verhindert haben. Stattdessen soll es gemeinsame Hilfspakete und einen Wiederaufbau-Fonds geben. Können Sie dem Laien erklären, was der Unterschied ist?

Die Eurobonds hätten dazu geführt, dass andere Staaten unbegrenzt Schulden aufnehmen hätten können und der österreichischen Steuerzahler unbegrenzt dafür haftet. Das ist für uns inakzeptabel. Wir haben aber Solidarität gezeigt und gemeinsam mit den anderen Finanzministern ein 500 Milliarden-Euro-Hilfspaket geschnürt, in dem Österreich seinen Beitrag leistet. Dazu kommt der Wiederaufbaufonds, über den noch verhandelt wird.

Wird Österreich Geld bekommen oder werden wir als Nettozahler oder Bürge übrig bleiben?

Österreich ist seit Jahren Nettozahler, das wird in diesem Akt der Solidarität auch so bleiben. Deswegen schauen wir auch darauf, dass das nicht einseitig oder zu viel wird. Insgesamt muss es aber natürlich auch darum gehen, dass wir unseren Handelspartnern wie Italien unter die Arme greifen.

Sie fordern, temporär das EU-Beihilfenrecht auszusetzen. Ist das ein Schönwettermodell?

In der Krise funktionieren viele Dinge nicht, deswegen heißt es ja Krise. Wir sind bereit mit österreichischem Steuergeld auch anderen Staaten zu helfen – aber ich habe kein Verständnis dafür, wenn uns die EU hindert, unseren eigenen Unternehmen zu helfen.

Was würden Sie denn gerne machen, das mit dem jetzigen Beihilfenrecht nicht geht?

Wir hätten die hundertprozentige Haftung der Republik für Unternehmenskredite 14 Tage früher auf den Markt bringen können, wenn die Union die Restriktion von Beginn an aufgehoben hätte. Die Krise ist noch nicht vorbei – ich weiß nicht, welche Maßnahmen noch notwendig werden, da würde ich mir solche Verzögerungen gerne ersparen.

Warum hat die Koalition nicht die Ersatzregeln des Epidemiegesetzes beibehalten, die Betrieben Umsatzentgang erstattet hätten?

Es gab bisher keine Möglichkeit für großflächige Betretungsverbote, weil das Epidemiegesetz für regionale und lokale Ausbreitung vorgesehen war. Deswegen hat man ein neues Pandemiegesetz geschaffen.

Das genau diesen Ersatzanspruch außer Kraft setzt.

Weil verschiedene Krisen verschiedene Maßnahmen erfordern. Wir haben in verschiedenen Hilfsfonds verschiedene Hilfen vorgesehen. Die Betroffenheit ist von Branche zu Branche unterschiedlich.

Glauben Sie, dass Sie in dieser Legislaturperiode noch ein Nulldefizit zusammenbringen?

Ich hoffe es sehr, aber das ist zu früh zu sagen. Die Legislaturperiode wird ja noch lange dauern. Aktuell konzentrieren wir uns auf die Krisenbewältigung.