Als das Unglück geschah, war Boubacar Touré noch im Dienst. Das Gelände der Fincantieri-Werft grenzt an die Schnellstraße, die von Mestre nach Marghera führt. Es war Dienstagabend, etwa 19.45 Uhr. Der Arbeiter Touré hörte einen Knall, dann Schreie. Mit einem Arbeitskollegen, auch dieser aus Gambia, eilte er zur Unfallstelle und wurde Zeuge einer Tragödie. Ein Bus hatte auf einer Überführung die Leitplanke durchbrochen und war 15 Meter in die Tiefe gestürzt.

21 Menschen kamen bei dem Unglück ums Leben, 15 Menschen wurden verletzt. Fünf von ihnen schwer. Bei vielen Opfern und Überlebenden handelt es sich um Touristen. Unter den Toten ist auch ein einjähriges Baby sowie ein 12-jähriges Kind. "Es gibt keine Informationen, dass Österreicher beteiligt sind. Es gab offenbar eine Verwechslung", sagt Antonia Praun vom Außenministerium, nachdem zunächst von zwei verletzten Österreichern die Rede war.

Keine Anzeichen für Zusammenstoß

"Ein Feuerwehrmann rief mir zu, ich solle ihm helfen", erzählte Touré noch in der Unglücksnacht einem Reporter der Lokalzeitung "Il Gazzettino". "Wir haben den Busfahrer in der Fahrerkabine gesehen, er war tot." Der Feuerwehrmann habe ihm gesagt, sie müssten jetzt die Lebenden herausholen. "Dann habe ich vier Menschen herausgezogen."

Über die Unfallursache herrscht noch keine Klarheit. So spekulierten italienische Medien über einen Schwächeanfall oder Infarkt des 40-jährigen Busfahrers, der erst 90 Minuten zuvor seinen Dienst aufgenommen hatte und seinen Beruf seit sieben Jahren ausführt. Die Staatsanwaltschaft Venedig hat Ermittlungen aufgenommen und die Autopsie seines Körpers angeordnet. Nun sollen Bilder von Videokameras analysiert werden, die den Unfallhergang aufgezeichnet haben. "Der Bus prallte fünfzig Meter vor dem Sturz von der Überführung gegen die Leitplanke", sagte Staatsanwalt Bruno Cherchi. "Es gibt keine Anzeichen für einen Zusammenstoß", fügte Cherchi hinzu.

Erinnerungen an ein anderes Unglück

Das Fahrzeug leistete im Auftrag eines Campingplatzes einen Shuttleservice nach Venedig und wurde von dem Unternehmen La Linea betrieben. Geschäftsführer Massimo Fiorese sagte nach Angaben der Agentur La Presse hingegen: "Niemand weiß genau, was passiert ist, allerdings gibt es eine Videokamera auf der Überführung. Auf den Bildern habe ich gesehen, wie der Bus mit weniger als 50 km/h ankommt, man sieht die Bremslichter, er hat also gebremst. Dann ist zu sehen, wie sich der Bus förmlich an die Leitplanke lehnt und abstürzt."

Giordano Biserni, Vorsitzender des Vereins der Förderer der Straßenpolizei, wies auf die Beschaffenheit der Leitplanke hin: "Es handelt sich um eine einfache Ausführung, die ein Fahrzeug, das bis zu 18 Tonnen wiegt, niemals halten kann. Dazu wäre eine dreifache Ausführung notwendig."

Die Staatsanwaltschaft will unter anderem die Leitplanke an der Außenbrüstung der Überführung genauer unter die Lupe nehmen. Sollte die Hypothese zutreffen, dass nicht genügend Sicherheitsvorkehrungen an der Unfallstelle getroffen wurden, könnte sich das Busunglück in Mestre in andere Unglücksfälle in Italien einreihen. Zu denken ist etwa an den wohl durch mangelnde Wartung und Kontrollen verursachten Einsturz der Morandi-Brücke in Genua im Jahr 2018, bei dem 43 Menschen starben. In Mestre ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen mehrfacher fahrlässiger Tötung im Straßenverkehr. Staatsanwalt Cherchi kündigte an, dass auch die Lithiumbatterien des elektrischen Busses untersucht werden sollen, aus denen nach dem Absturz Gas ausgetreten war. Auch eine Verantwortung der Betreibergesellschaft scheint demnach nicht ausgeschlossen.

Nach dem Absturz hatte das Wrack Feuer gefangen. Die Bergungsarbeiten wurden deshalb erschwert. Paolo Rosi, der regionale Verantwortliche für den Rettungsdienst 118, sagte: "Ich habe schon viele Tragödien gesehen, aber so ein schlimmes Unglück mit verbrannten Opfern, darunter Kinder, ist wirklich herzzerreißend. Es ist die reine Apokalypse."