Nach dem Tod von 14 Passagieren der Mottarone-Seilbahn in Norditalien am Pfingstsonntag hat die Staatsanwaltschaft ihre Ermittlungen ausgeweitet. Die Ermittler sichteten die Aufnahmen der Überwachungskameras der Seilbahn. „Die ganze Anlage wurde beschlagnahmt, es wurden alle bisher notwendigen Schritte für die Ermittlungen unternommen“, teilte Carabinieri-Kommandant Alberto Cicognani aus der Provinz-Hauptstadt Verbania mit. 

Gesichtet wurden auch die Video-Aufnahmen nicht nur vom Pfingstsonntag, dem Tag, an dem die Kabine abstürzte, sondern auch Aufnahmen der Vortage. Am Sonntag war eine mit 15 Menschen besetzte Kabine der Seilbahn Stresa-Mottarone am Lago Maggiore abgestürzt. Kurz vor der Ankunft an der Bergstation war offenbar das Zugseil gerissen, die Kabine glitt bergab, traf auf einen Mast und stürzte aus einer Höhe von etwa 20 Metern ab. Mehrere Menschen wurden dabei aus der Kabine geschleudert. Einziger Überlebender ist ein fünfjähriger, schwerverletzter Junge. Italiens Verkehrsminister Enrico Giovannini forderte am Dienstag die Verlegung des Radrennens Giro d'Italia. Geplant war, dass die Fahrer am Freitag am Monte Mottarone vorbeikommen.

Die Notbremse versagte

Über den Unfallhergang gibt es bislang zwei Anhaltspunkte. Den Ermittlern zufolge bestehen keine Zweifel darüber, dass das Zugseil, das die Kabine nach oben zog, kurz vor Ankunft an der Bergstation riss. Normalerweise hätte dann eine Notbremse das Abgleiten der an einem Tragseil befestigten Kabine verhindern sollen. Aus bislang nicht bekannten Gründen setzte diese Notbremse aber nicht ein. Zur Klärung der Ursachen und der Verantwortung hat sich die Staatsanwaltschaft Verbania an Experten für Bergseilbahnen und Metallkunde der Universität Turin gewendet. Sie sollen Gutachten erstellen und den Grund für den Riss des Zugseils sowie der ausbleibenden Notbremsung feststellen. Ermittelt wird derzeit noch gegen Unbekannt, unter anderem wegen fahrlässiger Tötung und fahrlässiger Körperverletzung. Bekannt wurde nun auch, dass die Seilbahn am Tag vor dem Unglück eine technische Panne hatte und eine halbe Stunde lang zum Stehen kam.

Wie es heißt, wurde zuletzt Ende des Jahres 2020 eine Überprüfung der Stabilität der Seile durchgeführt, dabei sollen keine Unregelmäßigkeiten aufgetreten sein. Auch die Notbremse der Seilbahn soll erst Anfang Mai überprüft worden sein, im Dezember habe es eine Notfallübung mit simuliertem Kabel-Riss und Aktivierung der Notbremse gegeben, teilte die Betreibergesellschaft Ferrovie Mottarone mit.

2016 war es zu einer Generalüberholung der Anlage gekommen. Oberstaatsanwältin Olimpia Bossi sucht mit ihrem Team nun nach den möglichen Verantwortlichen für das Unglück am Sonntag. Betreibergesellschaft der im Eigentum der Gemeinde Stresa stehenden Seilbahn ist Ferrovie del Mottarone, auch die am Wochenende Dienst habenden Techniker stehen nun im Fokus. Die Generalüberholung wurde 2016 von der Südtiroler Firma Leitner durchgeführt, die Firma ist auch für die ständige Wartung der Anlage zuständig. Nach Angaben der Firma Leitner wurde die letzte wichtige Kontrolle am 3. Mai durchgeführt, also drei Wochen vor dem Absturz der Kabine.

Die Staatsanwaltschaft überprüft auch die Vorgänge vor der Generalüberholung 2016. Neben der Firma Leitner sowie Ferrovie Mottarone hatte sich damals eine dritte Firma für den Auftrag beworben. Die Mailänder Firma Alfar zog ihre Bewerbung allerdings zu einem späteren Zeitpunkt zurück, weil sie eine damals nicht geplante komplette Erneuerung der Seilbahn für notwendig hielt. Wie italienische Medien übereinstimmend berichten, zeigte die Firma Alfar der Gemeinde und der Region Piemont damals „schwere strukturelle Schäden mit möglichen Konsequenzen und Gefahren für Personen und Sachen“ an. Ob diese mit dem Seilriss und dem Absturz der Kabine in Zusammenhang stehen, ist bislang nicht geklärt.