"Das ist wie Hiroshima, die halbe Stadt gibt es nicht mehr. Ich befinde mich derzeit bei dem toten Mädchen, und wir warten auf Hilfe" – so schilderte der Bürgermeister von Petrinja, Darinko Dumbovic, im staatlichen kroatischen Fernsehen HRT die Folgen des gestrigen Erdbebens in seinem 24.000-Einwohner-Städtchen.

Petrinja liegt knapp 50 Kilometer südöstlich der Hauptstadt Zagreb. Das Epizentrum des Erdbebens wurde zwischen Sisak und Petrinja verortet– Letzteres ist in Kroatien vor allem durch die Wurstfabrik Gavrilovic bekannt. Die Bilder aus dem Zentrum von Petrinje sind verheerend: Ganze Straßenzüge hat das Erdbeben, das laut Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) eine Stärke von 6,0 auf der Richter-Skala hatte, zerstört. Ziegel liegen auf den Straßen, Dächer sind eingestürzt, Autos wurden unter den Trümmern begraben.

Mindestens sieben Todesopfer

In Petrinja starb eine Zwölfjährige. Im Dorf Majska Poljana bei Glina kamen bei einem Hauseinsturz ein Vater und sein Sohn um. In dem Ort gab es insgesamt fünf Tote. Ein Mensch verlor in einer eingestürzten Kirche bei Sisak das Leben.



An den Aufräumungsarbeiten in Petrinje und anderen betroffenen Städten beteiligen sich Streitkräfte, Feuerwehr und Zivilschutz. Zitat einer HRT-Reporterin: "Petrinje, wie es war, existiert nicht mehr." Schwerverletzte wurden ausgeflogen, die Polizei appellierte an alle, die Häuser sofort zu verlassen. Viele Kroaten werden die kommenden Tage also in Containern verbringen: Das gilt nicht nur für Bewohner zerstörter Häuser, sondern auch für Gebäude, die auf den ersten Blick keine Schäden aufweisen, deren Statik aber fraglich ist.

Nach vorläufigen Schätzungen wurden in Petrinje, Glina und Sisak 1000 Wohnhäuser beschädigt. Wie viele Personen noch unter den Trümmern verschüttet sind, war gestern noch unklar – die Rettungsarbeiten laufen auf Hochtouren. Schwer beschädigt wurde in Sisak auch der alte Teil des Krankenhauses: 250 Patienten mussten in andere Spitäler verlegt werden. Glück hatte eine Frau im Krankenhaus in Sisak: Sie gebar ihr Baby direkt während des Erdbebens – Mutter und Kind sind wohlauf.

Ein kroatischer Seismologe sagte, die durch das Erdbeben freigesetzte Energie sei 30 Mal stärker gewesen als beim Beben im heurigen März in Zagreb. Dort gab es heute ebenfalls Erdstöße und Schäden an Gebäuden. Das Beben führte zu einem Verkehrskollaps, weil viele Bewohner die Hauptstadt fluchtartig verlassen wollten. Vor dem Theater in Zagreb hielten Augenzeugen fest: "Der Schock, die Angst nach dem Beben im März sitzen sehr tief."

Katastrophe mitten in Pandemie

Zu spüren war das Erdbeben weit über Kroatien hinaus – so natürlich auch in Slowenien: Dort wurde das Atomkraftwerk Krsko automatisch stillgelegt und befinde sich nun im "sicheren Ruhezustand", teilte die Führung des Kraftwerks in Krsko mit. Das gestrige Erdbeben ist bereits das zweite, das Kroatien während der Corona-Pandemie trifft. Diese beeinflusst natürlich die Evakuierung der von dem aktuellen Beben betroffenen Personen: Positiv getestet wurden bislang 207.000 Menschen – an oder mit dem Virus starben in Kroatien 3800.

Welle der Hilfsbereitschaft

"Wir stehen in diesen schweren Stunden Seite an Seite mit unseren  kroatischen Freunden", sagte Außenminister Alexander Schallenberg, der umgehend die Hilfe Österreichs anbot. Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) nahm Kontakt mit dem kroatischen Verteidigungsministerium auf. Auch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sagte rasche Hilfe zu: "Wir sind bereit zu unterstützen", schrieb sie nach einem Gespräch mit Kroatiens Ministerpräsidenten Andrej Plenkovic auf Twitter.

Hunderte Kroaten bieten über soziale Netzwerke den Erbebenopfern Unterstützung - von Unterkunft über Lebensmittel bis hin zu Kleidungsstücken - an. Freiwillige wurden aufgerufen, sich bei den Aufräumarbeiten zu beteiligen.