Mehr als 90 Menschen fielen dem Sturm zum Opfer, tausende Häuser stürzen ein, viele Dörfer sind überschwemmt. Rund zehn Millionen Menschen sind nach Angaben der Vereinten Nationen von einem der stärksten Stürme der jüngeren Geschichte in der Region betroffen. Zahlreiche Menschen verließen die Notunterkünfte indes bereits wieder. Sie wollen zurück, die Schäden begutachten und ihre Häuser wieder aufbauen, wie örtliche Behörden sagen. Doch einige Gebiete konnten Helfer auch am Freitag noch nicht erreichen. In der Millionenmetropole Kolkata gab es laut Bewohnern teilweise noch keinen Strom. Durch den Sturm liegen zehntausende Bäume am Boden - viele auch in einem UNESCO-Weltkulturerbe-Mangrovenwald und einem der letzten großen Lebensräume freilebender und gefährdeter Bengal-Tiger.

Indiens Premier Narendra Modi flog am Freitag mit einem Helikopter über die Region im Nordosten, um sich ein Bild von den Schäden zu machen. Anschließend kündigte er Hilfsgelder in Höhe von umgerechnet 120 Millionen Euro für den besonders betroffenen Bundesstaat Westbengalen mit Millionenmetropole Kolkata an. Dessen Regierungschefin hatte davor gesagt, dass die Naturkatastrophe ihre Region stärker treffe als Corona.

Zyklon "Amphan" wütete am Mittwoch und Donnerstag und brachte viel Regen und Wind. Nach ersten Einschätzungen von Helfern - etwa der Hilfsorganisation Caritas - gab es massive Sachschäden, aber verhältnismäßig wenig Tote. In Indien und Bangladesch wurden vor dem Eintreffen des Sturms mehr als drei Millionen Menschen in Notunterkünfte gebracht. Jetzt brauchen die vom Sturm betroffenen Menschen besonders Trinkwasser, Essen und Hygieneartikel und Schutz vor weiterem Regen, wie die Diakonie Katastrophenhilfe erklärte.

Die beiden Länder haben viel Erfahrung mit starken Wirbelstürmen, die im Golf von Bengalen immer wieder vorkommen. Bei einem großen Zyklon im Jahr 1999 starben knapp 10.000 Menschen. Experten gehen davon aus, dass die Intensität der Stürme in den vergangenen Jahren unter anderem wegen des Klimawandels tendenziell zugenommen hat. Die Opferzahlen waren aber in den vergangenen Jahren generell kleiner, da die beiden Länder inzwischen Notunterkünfte gebaut und Evakuierungspläne entworfen haben.

Doch die Corona-Pandemie hatte die Evakuierungen behindert - und nun auch die Räumungsarbeiten. Einige Leute hätten nicht in die Notunterkünfte gewollt, weil sie Angst hatten, sich dort Corona einzufangen, hieß es von Behörden und Hilfsorganisationen. Andere wollten ihr Hab und Gut nicht zurücklassen. Um für Abstand in den Notunterkünften zu sorgen, hatten Behörden beider Länder nach eigenen Angaben mehr Unterkünfte zur Verfügung gestellt als sonst. Es seien etwa leer stehende Schulen genutzt worden. Dort seien teils Masken und Desinfektionsmittel verteilt worden. Aber Fernsehbilder zeigten, dass die Abstände nicht immer eingehalten wurden.

So könnte der Sturm dazu beigetragen haben, dass sich Corona noch schneller in zwei Länder verbreitet, die ohnehin mit deutlich steigenden Infizierten-Zahlen kämpfen - trotz wochenlanger Ausgangssperre. Indien meldete kürzlich mehr als 100.000 bekannte Infektionen und in den vergangenen Tagen gibt es immer wieder Tagesrekorde. Von Donnerstag auf Freitag etwa stieg die Zahl um mehr als 6.000.