Der Start von Cape Canaveral in Florida war makellos – das Ende unrühmlich: Das Weltraumunternehmen Blue Origin von Amazon-Gründer Jeff Bezos brachte schon beim Erststart seine neue, leistungsstarke Rakete „New Glenn“ ins All – dann aber nicht mehr zurück: schwierige Kür.
„Versuchen Landung im Frühling erneut“
Zwar erreichte der Koloss planmäßig die Erdumlaufbahn, die geplante Landung auf einer Plattform im Atlantik blieb aber aus. „Wir versuchen die Landung im Frühling erneut“, schrieb Blue-Origin-Geschäftsführer Dave Limp auf X. Vor dem Start hatte er angemerkt, es „zweifellos ein bisschen gewagt, die Landung zum ersten Mal zu versuchen.“ Ob die Rakete explodierte oder eine andere Fehlfunktion aufwies und ins Meer stürzte, war zunächst nicht bekannt. Man wolle aus etwaigen Anomalien lernen und in den nächsten Monaten einen weiteren Flug planen: „Wir haben eine weitere ’New Glenn’ in Produktion.“
So oder so wurde ein neues Kapitel in der zivilen Raumfahrt aufgeschlagen: „Bezos und Blue Origin greifen offen die Dominanz von Elon Musks SpaceX bei Schwerlastraketen an“, analysiert Gernot Grömer, Direktor des Österreichischen Weltraum Forums (ÖWF) im Interview: „Sie haben zwar noch einen steinigen Weg vor sich, auch was den Zustrom an Satellitenbetreibern betrifft, die Starts zukaufen. Blue Origin ist jetzt aber definitiv auf dem Markt angekommen.“ In Zukunft will man wie Musk (er gratulierte dem Rivalen) noch mehr Mehrweg-Komponenten einsetzen – die „New Glenn“ verfügt bereits über eine wiederverwendbare erste Raketenstufe.
Längst nicht mehr von der Hand zu weisen ist, dass die zwei reichsten Menschen der Welt – Bezos’ Vermögen wird auf 233 Milliarden Dollar, jenes von Trump-Kompagnon Musk inzwischen gar auf 416 Milliarden Dollar geschätzt – auch in der Raumfahrt massiv mitmischen. Die vergleichbar kleinen „New Shepard“-Suborbital-Flüge mit Touristen sind laut Grömer „nach wie vor eher als Stunts zu sehen“ – mit der knapp 100 Meter großen „New Glenn“-Träger geht es aber immerhin um 45 Tonnen Nutzlast. Die „Falcon 9“ von SpaceX kommt aktuell mit knapp 23 Tonnen Nutzlastkapazität in den niedrigen Erdorbit.
„Blue Ring“ als Zukunftskonzept?
Hauptziel des Fluges war es, die Oberstufe zusammen mit dem Prototyp eines von Blue Origin entwickelten Raumschiffs namens „Blue Ring Pathfinder“ in die Umlaufbahn zu bringen. Als eine Art Weltraumschlepper kann der „Blue Ring“ mehrere Satelliten in verschiedenen Umlaufbahnen aufnehmen oder einsetzen und gleichzeitig Bordcomputerunterstützung und sogar Wartung bereitstellen.
Industriepolitisch könnte das Konzept sehr relevant werden, und auch das US-Verteidigungsministerium zeigt daran kaum überraschend schon großes Interesse: „Transfers in andere Umlaufbahnen, Energieversorgung von Satelliten, Hochleistungsrechner im Orbit und mehr – das sind sehr begehrte Dienstleistungen, bei denen SpaceX noch nicht agiert, und die auch strategisch einen immensen Vorteil für die US-Spaceforce bedeuten können“, erklärt Grömer.