Die ungarische Regierung hat dementiert, dass nahe Österreichs Grenze ein Flüchtlingslager gebaut wird. Vielmehr dürfte die derzeit offenbar in Umbau befindliche Anlage beim Dorf Vitnyéd künftig als Feriencamp für Jugendliche genutzt werden, sagte der ungarische Kanzleiminister Gergely Gulyás laut der amtlichen Nachrichtenagentur MTI am Donnerstagabend. Das mutmaßliche Flüchtlingslager hatte zu Unruhe und Protesten auch in der österreichischen Politik geführt.
Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) hatte mit schärferen Kontrollen an den Grenzen gedroht, sollten auf dem ehemaligen Berufsschulgelände tatsächlich Asylbewerber angesiedelt werden. Burgenlands Landeshauptmann Hans-Peter Doskozil (SPÖ) kündigte wiederum an, er wolle die Schließung von Grenzübergängen vorbereiten, falls das Nachbarland von diesen Plänen nicht Abstand nehmen sollte.
Bis vor kurzem lebten dort ukrainische Flüchtlinge
Ungarische Medien hatten in den vergangenen Wochen von Bauarbeiten auf dem Gelände nahe Vitnyéd berichtet. Auf einem Teil des früheren Landgutes Csermajor hatten bis vor kurzem Flüchtlingsfamilien aus der Ukraine gewohnt. Nach deren Auszug wurde das Areal abgezäunt und es finden seitdem Bau-, Sanierungs- und Einrichtungsarbeiten statt. Vergangenen Sonntag fand eine Demonstration der örtlichen Bevölkerung mit Hunderten Teilnehmern statt. Sie forderten klare Informationen, was auf dem Gelände errichtet werden soll. Vitnyéd liegt im Westen des Komitats Györ-Moson-Sopron, bei Deutschkreuz und nur wenige Kilometer von der Grenze im burgenländischen Seewinkel entfernt.
Die ungarische Regierung hatte die Errichtung eines Flüchtlingslagers bereits Mitte September dementiert. Dies wurde nun von Gulyás bekräftigt: „Falls Brüssel uns zur Aufnahme von Migranten zwingt, dann muss man das Flüchtlingslager nicht bei der österreichischen Grenze, sondern auf der Grand-Place, dem Hauptplatz Brüssels, errichten“, lautete ein Seitenhieb auf die seit Jahren währenden Auseinandersetzungen mit der EU über die Aufnahme von Asylbewerbern in Ungarn.
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hatte im Sommer das Land zur Zahlung einer Strafe von 200 Millionen Euro sowie zu einem täglichen Zwangsgeld von einer Million Euro für jeden Tag des Verzugs verurteilt. Es ging dabei vor allem um den effektiven Zugang von Asylwerbern zu Asylverfahren. Die Regierung des rechtsnationalen Viktor Orbán weigert sich bisher allerdings, die Zahlungen zu leisten. Vielmehr fordert Orbán seinerseits Geld von der EU für die Finanzierung seiner Migrationspolitik, etwa für die Grenzzäune, und drohte damit, Asylwerber per Bus nach Brüssel zu chauffieren. Zuletzt hatte die Europäische Kommission angekündigt, das Strafgeld von den EU-Zahlungen abzuziehen, die Ungarn erhalten würde. Ein Teil der EU-Gelder für Ungarn liegt bereits seit 2022 wegen Korruptionsvorwürfen und Rechtsstaatlichkeitsbedenken auf Eis.