Ein regnerischer Nachmittag in der Grazer Mariahilferstraße. Draußen grau, drinnen bunt: Im Laden von Zerum hängt Kleidung in fröhlichen Farben: T-Shirts, Hosen, Kleider, Schuhe, Rucksäcke, auch Trinkflaschen. Verkäuferin Serafina Muhr legt gerade T-Shirts zusammen und erzählt dabei von ihrer Arbeit und den Kunden. Die kämen aus ganz unterschiedlichen Ecken, aber oft seien es Jugendliche und Frauen. Was ihnen wichtig ist? „Manche fragen schon ganz konkret: Woher sind die Stoffe? Oder: Wie ist der Rucksack produziert worden?“ Klar sei: Wer hier einkauft, dem geht es um nachhaltige und faire Kleidung.

Was bedeutet „fair“ eigentlich?

Doch was ist „faire“ und „nachhaltige“ Mode? Zwei Begriffe, die sich mittlerweile viele Modemarken auf die Fahnen schreiben. Lena Gruber von der NGO Südwind in Graz beschäftigt sich seit Jahren mit Arbeitsbedingungen in der globalen Textilindustrie. „Bei nachhaltiger Mode stehen ökologische Aspekte im Mittelpunkt“, erklärt sie. Das reicht von ressourcenschonenden Produktionsprozessen über Biobaumwolle bis hin zu kurzen Transportwegen. Demgegenüber meint „faire Mode die Achtung von Menschenrechten entlang der gesamten Produktionskette.“ Das bedeutet Arbeitnehmerrechte, angemessene Arbeitszeiten und Pausen und vor allem gerechte Löhne, von denen ein Leben leistbar ist.

Aber: Nicht überall, wo „fair“ draufsteht, ist „fair“ drin. „Ganz stark aufpassen muss ich bei großen Firmen, die im Fast-Fashion-Bereich angesiedelt sind. Da kann ich mir sicher sein, dass es nicht fair und nachhaltig produziert wird, sondern eher ein Greenwashing ist“, sagt Gruber, selbst auferlegten Richtlinien könne nicht immer vertraut werden. Unabhängigen Gütesiegeln wie Fair Wear, GOTS oder Oeko-Tex könne hingegen schon. Diese überprüfen soziale und ökologische Kriterien, wobei die meisten Siegel einen jeweiligen Schwerpunkt haben.

In der Sporgasse: Die Nachhaltige Kreisslerei

Ein paar Gehminuten weiter, in der Mitte der Grazer Sporgasse, steht „Die Nachhaltige Kreisslerei“. Michael Diekers betreibt den Laden. „Es kaufen bei uns Menschen quer durch die Bank ein, aber tendenziell Jüngere und eher Frauen“, erzählt auch er. „Die meisten wissen auch, dass es hier zertifizierte Mode gibt.“ Eines von den vielen nachhaltigen und fairen Modelabels, die man in der Kreisslerei findet, ist Apflbutzn, ein steirisches Unternehmen, das auf faire und nachhaltige Produktion achtet. „Für uns bedeutet das: Die Kleidung muss Bio und fair sein. Das betrifft sowohl die Rohstoffe und Färbemethoden als auch die sozialen Standards – Löhne und Arbeitsbedingungen,“ sagt Thomas Winkler, einer der Gründer. Die meisten Zulieferer sind zertifiziert, aber nicht alle, gibt er offen zu. Hinter manchen stecken kleinere Unternehmen, die sich ein Siegel nicht leisten können. „Aber diese Partner kennen wir und wir vertrauen darauf, dass die Standards eingehalten werden.“

Sichtbare Veränderung in der Modewelt?

Lena Gruber beobachtet seit Jahren einen Trend: „Es gibt vor allem viele kleine Unternehmen, die fair und nachhaltig produzieren wollen.“ Gleichzeitig boome aber Fast Fashion nach wie vor – schnelle Trends und günstige Preise für die Konsumenten. Die billige Mode bedeutet aber in den meisten Fällen schlechte Arbeitsbedingungen und niedrige Löhne für jene Menschen, die sie herstellen. Wie es um die Arbeitsbedingungen der Näherinnen in Billiglohnländern – also dort, wo für westliche Fast-Fashion-Unternehmen die Kleidung großteils produziert wird – steht, ist international spätestens nach dem Einsturz der Textilfabrik Rana Plaza in Bangladesch 2013 ans Licht gekommen:

Faire Mode in Graz: Optionen für jede Zielgruppe

Und doch: „Man kann in Graz gut fair und nachhaltig einkaufen“, meint Gruber. Es gebe Angebote für verschiedene Zielgruppen, für Erwachsene genauso wie für Kinder. Auch Second-Hand-Läden fänden sich mittlerweile einige. Selbst im Traditionshaus Kastner & Öhler ist nachhaltige Mode angekommen.

K&Ö-Vorstand Martin Wäg zufolge habe das Bewusstsein für nachhaltige und faire Mode definitiv zugenommen. Begonnen habe man 2012 mit einer ausgewiesenen Nachhaltigkeitsfläche im Grazer Einkaufshaus. Mittlerweile habe man aufgrund der positiven Resonanz österreichweit eigene Nachhaltigkeitsbereiche eingerichtet. „Nachhaltigkeit hat viele verschiedene Facetten“, sagt Wäg, „Von fairen Arbeitsbedingungen bis hin zum umweltbewussten Einsatz von Ressourcen. Unser Anspruch ist es, möglichst viele davon zu berücksichtigen und das für Kundinnen und Kunden entsprechend transparent zu machen.“

Nachhaltigkeitsfläche bei Kastner und Öhler
Nachhaltigkeitsfläche bei Kastner und Öhler © K&Ö / Lex Karelly

Auch Sigmund Benzinger, Gründer von Zerum, hat eine klare Vorstellung von „fair“ und „nachhaltig“: „Kurze Transportwege, wie nur irgendwie möglich, und mit kleinen Familienbetrieben zusammenzuarbeiten“, in denen Löhne gezahlt werden, von denen die Mitarbeiterinnen gut leben können. Das GOTS-zertifizierte Unternehmen produziert in Ungarn und in der Türkei, man kenne die Mitarbeiterinnen dort und zahle gerechte Löhne. Dass faire Mode häufig einen höheren Preis hat, darf nicht wundern. Denn dieser Preis ist ein gerechter – sowohl für die Menschen, die sie herstellen, als auch für die Umwelt.

Lena Gruber zeigt Verständnis, dass nicht alle sich höherpreisige Kleidung leisten können. Es gebe aber auch in der fairen Mode unterschiedliche Preiskategorien. Sie empfiehlt, auf Second-Hand-Mode zurückzugreifen und etwas weniger zu kaufen. Dann ginge sich vielleicht gelegentlich ein Kleidungsstück aus, das unter fairen Bedingungen hergestellt wurde. Beim Kaufen von fairer Kleidung gehe es um Solidarität mit den Menschen, die die Kleidung herstellen und um einen besseren Umgang mit der Umwelt.