Als Ikea vor genau 45 Jahren sein erstes schwedisches Möbelhaus in Österreich in Vösendorf eröffnete, waren Parkplätze und große SB-Hallen, aus denen die Kunden die flachen Pakete mitnehmen und ins Auto packen konnten, entscheidende Faktoren für den Markterfolg. Damals saß Ikea-Gründer Ingvar Kamprad am Tag vor der Eröffnung mit allen andern Mitarbeitern auf dem Boden in der SB-Halle, erinnert sich Heinz Alt, ein immer noch aktiver Mitarbeiter der ersten Stunde.  

Inzwischen ist nicht mehr die große Fläche der Wachstumstreiber. Heute steht die Digitalisierung im Vordergrund. Wenn Ikea bis 2030 die Transformation in ein hundert Prozent nachhaltiges Unternehmen verspricht und auf dem Weg schon relativ weit ist, wird auch das abgekauft. Online-Bestellungen werden schon jetzt zu 60 Prozent mit dem Elektro-Lkw ausgeliefert. 2025 soll das zu hundert Prozent gelingen. 2028 wird die letzte Plastikverpackung aus dem Sortiment verbannt.

Rund ein Drittel des Umsatzes macht Ikea Österreich inzwischen online. Tendenz weiter steigend. Der völlig neu konzipierte Wiener Standort am Westbahnhof, der vor einem Jahr eröffnet wurde, ist das Aushängeschild für die neue Art des Konzerns, Kunden anzulocken und Geschäft zu generieren. "Es läuft extrem gut", sagt Deliloglu. "Dieses Haus ist eine ganz neue Erfahrung, wir wachsen hier praktisch jeden Tag, weil inzwischen jeder weiß, was er hier erwarten kann." Nämlich keine Parkplätze und folglich auch keine Billy-Regale zum Unter-den-Arm-Klemmen, sondern nur 4000 tragbare Artikel zum Mitnehmen, einige Boxen mit Einrichtungslösungen, auch Möbel zum Probesitzen und Beratungs- und Planungszonen. 

Über die neuesten Zahlen redet Deliloglu noch nicht. Das Geschäftsjahr 2021/22 ist erst gerade, am 31. August zu Ende gegangen. Ein Jahr zuvor hatte Ikea rund 800 Millionen Euro Umsatz erzielt, was trotz Pandemie ein Plus von vier Prozent war. Auch das jüngste Geschäftsjahr sei trotz Lockdowns und scharfer Quarantänebestimmungen sehr gut gewesen, mit einem Wachstum von fünf Prozent. Konkrete Zahlen will er nicht nennen, sagt nur salopp: "Big smile".

Nummer Eins in spätestens drei Jahren

Drei Jahre ist Deliloglu nun oberster Ikea-Manager in Österreich, voraussichtlich wird er weitere drei Jahre bleiben, das ist in etwa die übliche Dauer, die Topmanager bei Ikea Zeit bekommen, um in einem Land den Umsatz nach vorne zu bringen. Das Ziel für diese Zeit ist für Deliloglu klar: "Wir werden die Nummer Eins im Markt."

In Wien und dem Umland sei das bereits gelungen mit einem Marktanteil von rund 24 Prozent. In ganz Österreich sind es gut 17 Prozent. Hier hat der XXXLutz die Nase vorn. Deliloglu: "Die Lücke ist nur noch sehr klein." Stolz ist er, dass man die Pandemie ohne jeden Cent Staatshilfe überstanden hat. "Uns wären immerhin zehn Millionen Euro zugestanden."

Die heute acht Möbelhäuser wurden während der Lockdowns zu Versandlagern. "Es war eine unglaublich lehrreiche Zeit", so der Manager. "Wir haben eine extrem hohe Resilienz in unserer Organisation, egal was passiert, entwickeln wir immer eine enorme Agilität", so Deliloglu im Gespräch mit der Kleinen Zeitung. Für die engmaschige Kundenbelieferung wurden Partnerschaften eingegangen mit der Supermarktkette Billa und dem Unternehmen Store Box. An 45 Stellen können österreichweit Ikea-Pakete abgeholt werden. Laut Nicole Reitinger, bei Ikea für Entwicklung  und Transformation zuständig, wird weiter massiv ausgebaut.

Planung von zu Hause aus mit App

Planung von zu Hause aus soll demnächst mit einer eigenen App noch einfacher gehen, sie kann mittels "virtual reality" zeigen, wie Ikea-Produkte konkret in den eigenen vier Wänden aussehen. Das Tool ist in den USA bereits online und kommt im Laufe des Jahres auch in Europa, also auch Österreich, auf den Markt. Fünf Jahre wurde daran entwickelt. "Weltweit arbeiten mehr als 4000 Mitarbeiter an solchen digitalen Lösungen", erzählt Deliloglu. 

Über Details der enormen Lieferkettenprobleme, die der Konzern in den vergangenen Monaten wegen des Ukraine-Krieges bewältigen musste, kann Deliloglu wenig sprechen. Die Situation sei menschlich eine Tragödie. Die Ukraine und Russland hätten als Zulieferländer eine sehr große Rolle gespielt, "aus Russland herauszugehen, das ist der härteste Teil".

Viele Preisanhebungen infolge der hohen Inflation hat es bei Ikea zufolge in den vergangenen Wochen konzernweit gegeben. Im Schnitt um neun Prozent. Für die Zukunft erwartet Deliloglu keine "dramatischen Effekte" mehr. "Wir senken lieber intern die Kosten."

Für die Pressekonferenz zum 45-Jahr-Jubiläum konnte Ikea sogar Wirtschaftsminister Kocher gewinnen, der die wichtige Rolle ausländischer Unternehmen in Österreich betonte. "Jeder fünfte Job in Österreich wird von einem ausländischen Unternehmen geschaffen", so Kocher. 3600 sind es bei Ikea. In der gesamten Möbelbranche, die etwa sechs Milliarden Euro umsetzt, sind 25.500 Mitarbeiter beschäftigt.