Ersonnen wurde er einst von chinesischen Studenten – als eine Art „Anti-Valentinstag“. Doch binnen weniger Jahre ist der sogenannte „Singles’ Day“, der stets am 11. November begangen wird, zum umsatzstärksten Konsumtag weltweit mutiert. Allein der Online-Gigant Alibaba hat heuer an diesem einzigen Tag sagenhafte 34,5 Milliarden Euro umgesetzt. Der „Singles’ Day“ hat längst auch Europa und Österreich erfasst, wie sich in der Vorwoche zeigte. Mittlerweile ist dieser aus China „importierte“ Einkaufstag so etwas wie die Ouvertüre für zwei weitere – demnächst bevorstehende – Konsum-Events, die ihre Wurzeln wiederum in den USA haben und sich „Black Friday“ und „Cyber Monday“ nennen. Begleitet von grellem Rabatt-Getöse gewinnen sie seit Jahren mehr und mehr an Bedeutung, auch in Österreich.

Kein uneingeschränkter Jubel

Auf den ersten Blick möchte man meinen, dass im Handel ob dieser Häufung relativ neuer „Konsumfestivitäten“ uneingeschränkt gejubelt wird. Doch ganz so ist das nicht. Das hat mehrere Gründe.
So ist der Trend zu beobachten, dass sich Onlinegiganten wie Amazon nicht mehr nur mit einem singulären Ereignis zufriedengeben, sondern etwa gleich eine ganze „Black-Friday-Woche“ ausrufen, die bereits heute beginnt und dann bis zum eigentlichen Einkaufstag am 29. November andauert – und fast nahtlos in den darauffolgenden „Cyber Monday“ übergeht. Diese Dauer-Rabatt-Schlacht setzt vielen Händler zu.

Zumal ja eigentlich die wichtigste, weil umsatzstärkste Zeit des Jahres, das Weihnachtsgeschäft, ansteht. Dieses „Handelskalendarium“ wird aber zunehmend auf den Kopf gestellt. Denn Preisnachlässe läuten nun die wichtigsten Umsatzwochen des Jahres ein, statt diesen die Krone aufzusetzen.

"Zweischneidiges Schwert"

Peter Buchmüller, Obmann der Bundessparte Handel in der Wirtschaftskammer, spricht im Zusammenhang mit den Rabatt-Tagen daher von einem „zweischneidigen Schwert“. Zwar lassen sich für Handelsunternehmen „gewisse Vorteile“ daraus ziehen, sie bringen aber „Licht und Schatten“, denn „einer höheren Kundenfrequenz samt mehr Umsatz steht oft sogar ein Rückgang des Gewinns gegenüber“. Konsumenten würden mit üppigen Rabatten rechnen, „daher lastet auf uns ein großer Erwartungsdruck“, so Buchmüller.

„Die Herausforderung besteht darin, Schnäppchenjäger zu Stammkunden zu machen. Wenn das nicht gelingt, dann bewahrheitet sich nämlich der alte Spruch: Außer Spesen nichts gewesen.“ Ins selbe Horn stößt Handelsexperte Peter Schnedlitz: Die Promotion-Tage drohten das Weihnachtsgeschäft abzugraben, statt es einzuläuten. „Es besteht die Gefahr, dass Umsatz zwar generiert wird, Gewinne aber voreilig verschenkt werden.“


Klar ist: Ignorieren lassen sich diese Aktionstage nicht mehr. Laut einer Konsumentenbefragung von MindTake Research und Handelsverband wollen heuer 59 Prozent der Österreicher an einem dieser Rabatt-Tage einkaufen, im Alterssegment der unter 29-Jährigen planen demnach sogar mehr als 80 Prozent einen Einkauf. Rainer Will, Geschäftsführer des Handelsverbandes, betont auf Basis der Untersuchung: „Die heimischen Konsumenten werden beim Black Friday und Cyber Monday 2019 im Schnitt 260 Euro ausgeben“, in der Südregion Steiermark/Kärnten sind es mit 263 Euro sogar etwas mehr.

"Modernes Einkaufen"

Für Harald J. Mayer, Geschäftsführer von Tchibo Österreich, sind solche Aktionstage ein Beispiel für „modernes Einkaufen“, da sich der Online-Handel um die stationäre Klientel bemühe und umgekehrt. Trotzdem verweist Mayer darauf, dass die Online-Schnäppchenfeste aus einer „multireligiösen Welt“ stammen. „Deswegen versuchen wir Landestraditionen aufrechtzuerhalten. Wir sprechen immer noch von Nikolaus und Christkind.“ Natürlich werde man am „Black Friday“ auch den Kunden spezielle Angebote bieten. Jedoch seien die wöchentlich neuen Themenwelten sowie der Kaffee noch immer „Ansprache und Background“ des Unternehmens.

"Es wird nach Anlässen gesucht"

WU-Professor Schnedlitz hält die kolportierten Umsatzzahlen für zu hoch, diese beruhten auf Umfragen, tatsächlich sei der Black Friday vor allem ein „Online-Kauftag“, der als Teil des amerikanischen Lifestyles wahrgenommen werde. Er empfiehlt dem Handel, „kühlen Kopf zu bewahren“ und „keine Panik-Kalkulationen“ anzustellen. In Österreich stünden hinter „Anlasstagen“ für Geschenke religiöse Feiertage oder gesellschaftliche Traditionen. Anderswo, wie etwa in China, gebe es diese Verhaltensmuster nicht. „Deshalb wird ein Anlass gesucht, um die Menschen für Käufe ,anzuschubsen‘.“

Kritiker auf den Plan gerufen

Der Erfolg der über den Atlantik nach Europa geschwappten Kauffeste ruft zunehmend Kritiker auf den Plan. Die Caritas ruft heuer zum „Giving Tuesday“ am 3. Dezember auf, dem „weltweiten Tag des Gebens und Spendens“, der 2012 in den USA seinen Ausgang nahm. Und die Klimademonstranten von „Fridays for Future“ nutzen den diesjährigen „Black Friday“, um für einen „Neustart Klima“ zu werben.