Die Inflation ist zuletzt gesunken, bleibt aber hoch. Womit müssen Ihre Kunden jetzt rechnen?
HORST LEITNER: Was die Beschaffungsmärkte betrifft: Das meiste zeigt nach unten oder zumindest nicht nach oben. Aber sehe ich ein 2019er- oder 2020er-Niveau? Nein, zumindest nicht so schnell.
Warum nicht?
Im Moment sind die Preise sehr stark von den Kosten bei den Lebensmittelhändlern getrieben. Neben den Rohstoffsteigerungen sind wir auch mit höheren Energiekosten konfrontiert. Unsere Energie für das nächste Jahr kostet das Zweieinhalbfache wie 2020. Da wird es den anderen Händlern nicht anders gehen. Und zwei Drittel unserer Betriebskosten sind Personalkosten, die durch kollektivvertragliche Verhandlungen deutlich gestiegen sind. Die Spannen sind nicht so, dass man die Steigerungen einfach verdauen kann, das muss man gegebenenfalls punktuell weitergeben. Dazu kommen Indexierungen bei Mietflächen.
Markenartikler haben gegenüber den explodierenden Eigenmarken das Nachsehen?
Wir profitieren davon, dass der Großteil unserer Produkte Eigenmarken ausmacht. Hier sehen wir im Vergleich zu den Markenartikeln einen Aufschwung, ähnlich wie bei Aktionen und preisgesenkten Artikeln.
Woher kommt der enorme Preisunterschied zwischen Deutschland und Österreich im Lebensmittelhandel von 15 Prozent?
Man muss hier auch die Unterschiede sehen: Österreich hat andere Größen, definitiv andere Qualitäten, andere Mehrwertsteuersätze, ein dichteres Filialnetz – na klar hat das eine Auswirkung auf die Kostenbasis. Unser Fokus liegt auf der Regionalität und wir verfügen über ein großes Netz an regionalen Produzenten. Diesen Fokus wollen wir auch weiter in Österreich belassen und Artikel nicht im Ausland beschaffen müssen.
Mit welchen Konsequenzen?
Die österreichischen Händler müssten ihre Beschaffung umstellen, also mehr im günstigeren Ausland besorgen. Bisher waren die Ketten immer extrem loyal zu den österreichischen Produzenten.
Wir haben in Österreich relativ gesehen doppelt so viele Geschäfte wie in Deutschland – wer hat denn den Handel gezwungen, die Kosten so zu erhöhen?
Zum einen gibt es natürlich topografische Unterschiede und eine völlig andere Bevölkerungsdichte. Wir haben in Österreich Raum- und Bauordnungsvorschriften, was sich auch auf die Größe der Geschäftsflächen auswirkt. Ähnlich verhält es sich mit eingeschränkten Öffnungszeiten. Wenn die Läden kleiner sind und ich zu einer gewissen Uhrzeit schließen muss und nur sechs statt sieben Tagen offenhalte, kommt es viel früher zu Situationen, in denen sich der Laden für Kunden unangenehm füllt. Daher sind mehr Läden notwendig.
Hat sich die Nachfrage zu den günstigeren Produkten verschoben?
Ja, komplett, und wir versuchen uns darauf einzustellen. Wir haben eine Gourmetlinie, da verspüren wir Rückgänge, gleichzeitig werden die günstigeren Waren am stärksten nachgefragt. Die Anzahl der eingekauften Stücke pro Einkauf gehen zurück, dafür kommen die Kunden öfter.
Der Lebensmittelhandel wird von wenigen Ketten, zu denen auch Hofer gehört, beherrscht. Auch das treibt die Preise.
Zum Konsumenten haben wir immensen Wettbewerb. Tatsache ist, dass auch durch die Erhöhung der Preise die höheren Einkaufspreise im Lebensmitteleinzelhandel noch immer nicht gedeckt waren. Erst als im heurigen Frühjahr die Einkaufspreise wieder nach unten gegangen sind, normalisieren sich die Spannen wieder und wir konnten unsere Kosten wieder besser decken.
Und was ist mit der Gegenseite – den Produzenten?
Wir sind immer bemüht um eine gute Zusammenarbeit, die auf gegenseitigem Respekt beruht. Da geht es um einen verantwortungsvollen Umgang der Ketten, je größer man ist – und zwei Ketten haben über 70 Prozent Marktanteil. Daher ist es auch wichtig, gemeinsam an einem Strang zu ziehen.
Der Lebensmittelhandel wurde zum Feindbild der Politik – wie gehen Sie damit um?
Generell haben wir ein gutes Einvernehmen mit der Politik. Anders als wie bei anderen Branchen konnten wir als Lebensmittelhandel keine Zugewinne machen und können daher keine zusätzlichen Zugeständnisse anbieten.
Also keine Übergewinne im Lebensmittelhandel?
Überhaupt nicht.Im Onlineshopping sammelt Hofer Erfahrungen in Wien und Umgebung – kommt noch was?
Wir beobachten und analysieren die Marktentwicklungen laufend, wenn wir Potenziale erkennen, werden wir auch eine weitere Expansion unseres Lieferservices in Betracht ziehen. Natürlich erfolgen unsere Entwicklungen immer im Einvernehmen mit unseren Kunden. Die dynamische Entwicklung in der Pandemie hat sich nicht fortgesetzt, in Zeiten von Inflation ist diese wieder gesunken. Der Preis bleibt das Thema, nicht die Zustellung.
Mit Apps und Kundenkarten hat Hofer bis jetzt gar nichts auf dem Hut. Bleibt es dabei?
Ich bin davon überzeugt, dass Lebensmittelhändler in Zukunft nicht drumherum kommen, einen digitalen Anknüpfungspunkt mit Computer oder Handy zu haben. Wir haben in Österreich derzeit keine konkreten Pläne, evaluieren Möglichkeiten und Entwicklungen aber laufend.
Sie haben angekündigt, 160 Millionen Euro in die Erneuerung der Läden zu investieren. Wann wird diese in Ihren über 530 Läden finalisiert sein?
Bis zum ersten Quartal 2024 werden wir alle Filialen für die nächsten zehn bis 15 Jahre zukunftsfit gemacht haben. Zusätzlich 128 Millionen Euro investiert Hofer in Automaten für das Einweg- und Mehrweg-Pfandsystem, bis Ende 2024 sind alle Filialen umgerüstet.
Wie lange sitzen noch Menschen an allen Kassen?
Man sieht in anderen Ländern einen schon viel größeren Trend zu Self-Checkout-Systemen. Ich glaube aber, dass sich das auch in Österreich durchsetzen wird. Wo wir das in den USA haben, checken im Schnitt über 60 Prozent der Kunden mit so einem System aus. In der Schweiz über 30 Prozent.
Wann kommen diese Kassen nach Österreich?
In Österreich werden wir voraussichtlich 2024 in einer ersten Filiale Self-Checkout-Kassen testen, diese kommen zusätzlich zu den aktuellen Kassen gezielt zum Einsatz. Ob das Angebot ausgeweitet wird, entscheidet sich daran, wie das angenommen wird.
Wo steht denn Aldi bzw. Hofer heute in Slowenien, der Schweiz, Ungarn und Italien?
In Italien werden wir heuer an die 200 Filialen kommen, und das im sechsten Jahr. Irgendwann sollten wir über 1000 Filialen haben. In Ungarn haben wir den Schritt vom neunt- zum sechstgrößten Händler geschafft. Ziel ist es, Nummer drei im Markt zu werden, was wir in Slowenien bereits geschafft haben. Und die Schweiz ist für Nicht-Schweizer Diskonter eine Herausforderung. Da gilt es, einen gläsernen Plafond zu durchbrechen.