Ferienzeit ist und zwar schon eine ganze lange Weile. Carmen Goby, die Vizepräsidentin der Wirtschaftskammer Österreich, schlägt nicht zufällig jetzt, Ende August, Alarm, was das Thema Kinderbetreuung in Österreich angeht. "Im österreichweiten Schnitt sind Kindergärten für mehr als 22 Tage in den Ferien geschlossen. Sie haben meist also mehr Schließtage als ein Vollzeit-Beschäftigter Urlaubstage hat", so Goby und stellt das mit der Beschäftigung in Relation: "Was die Beschäftigungsquote von Frauen mit Kindern unter sechs Jahren angeht, befindet sich Österreich EU-weit nur an elfter Stelle mit knapp 72 Prozent. Landesweit fehlen 39.000 Plätze für unter Dreijährige und 14.000 für Drei- bis Sechsjährige. Vor allem bei Ein-Personen-Unternehmen bedeutet jede wegen fehlender Kinderbetreuungsangebote verlorene Arbeitsstunde weniger Umsatz und damit weniger Wertschöpfung im Land."

Im Juli waren in Österreich laut AMS 114.000 Stellen unbesetzt. Studien zeigen, dass es ohne Gegenmaßnahmen bis 2040 wohl 500.000 sein werden. Der demografische Wandel: Wir werden weniger. "Eine wesentliche Gegenmaßnahme ist Kinderbetreuung", so die Unternehmerin angesichts der Tatsache, dass aktuell knapp 50 Prozent der Frauen in Österreich in Teilzeit arbeiten und (laut AMS) 65.000 Frauen in Österreich angeben, dass sie ihre Arbeitszeit ausweiten würden, wenn sie mehr bzw. eine bessere Kinderbetreuung hätten. "Und da geht es nicht um Ideologie oder Parteipolitik, sondern um die Zukunft unseres Landes. Kinder sind unser größter Schatz. Daher sollten wir in sie investieren, um ihrer selbst willen, und weil es Bildung, Gesundheit und Wohlstand in unserem Land erhält. Kinderbetreuung ist auch eine Investition in den Standort Österreich. Und natürlich profitieren auch die Betriebe mit ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern davon."

Mutter und Kind im Kindergarten. "Mehr Schließzeiten als Urlaubstage"
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Der Faktor Kind

Die gerade von der Wirtschaftskammer veröffentlichte "Agenda Kinderbetreuung" beinhaltet einen Stufenplan der Notwendigkeiten: 

- Ausbau der Kinderbetreuung für unter Dreijährige um 15 Prozentpunkte bzw. 39.000 Plätze, um eine Betreuungsquote von 45 Prozent bis 2030 zu erreichen
- Ausbau der Kinderbetreuung für Drei- bis Sechsjährige um 14.000 Plätze, um für jedes Kind in diesem Alterssegment bis 2030 einen Betreuungsplatz garantieren zu können
- Erweiterung der Öffnungszeiten von Kinderbetreuungseinrichtungen im Durchschnitt um zwei Stunden pro Tag und Reduzierung der Schließtage, die übers Jahr verteilt nicht mehr als drei Wochen umfassen  und bundesweit synchronisiert werden sollten.

Das kostet Geld. 2023 müssten finanzielle Mittel im Umfang von 374 Millionen Euro für den Ausbau aufgewendet werden. Weil Anzahl der Betreuungsplätze und Öffnungszeiten zunehmen, steigt der
Finanzierungsbedarf bis 2030 auf 1,4 Milliarden Euro pro Jahr. Zwischen 2024 und 2030 entstünden also Gesamtkosten von 6,319 Milliarden Euro. Aber die Volkswirtschaft profitiert: Die fiskalischen Effekte betragen beim Erreichen der gesetzten Ausbauziele 1,7 Milliarden Euro pro Jahr. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) würde sich ab 2030 um sieben Milliarden Euro erhöhen, weil mehr Eltern die Möglichkeit hätten, erwerbstätig zu sein oder ihre Arbeitsstunden aufzustocken. Und weil das zusätzliche Betreuungspersonal Lohn- bzw. Einkommenssteuer zahlt. Bereits ab 2027 würden die fiskalischen Einnahmen die berechneten Kosten für den
Kinderbetreuungsausbau übersteigen. Der "Return on Investment" ist durch Studien belegt: "Jeder in Kinderbetreuung investierte Euro kommt achtmal zurück", sagt Goby.