1. Zuletzt warb etwa die Nice Tech GmbH damit, dass man durch das Anklicken verschiedener Produkte in Online-Shops und durch die Zuführung neuer Mitglieder einen lukrativen Nebenverdienst erzielen könne. Wir wollen hier keine strafbare Handlung unterstellen, hinter solchen Versprechen stecken aber häufig Pyramiden- oder Schneeballsysteme. Nice Tech hat in den letzten Tagen auch alle seine Websites vom Netz genommen und ist für seine Kunden nicht mehr erreichbar. Auch Watchlist Internet warnt. Was zeigt sich an diesem Beispiel?
ANTWORT: "Neben der fragwürdigen Struktur solcher Vertriebssysteme ist auch die Behauptung, durch Klicks der Teilnehmer auf verschiedene online angebotene Produkte Einnahmen zu erzielen, kritisch zu hinterfragen", betont die Rechtsanwältin Isabella Fank von der Grazer Kanzlei hba-Rechtsanwälte. Selbst wenn Produkte durch vielfaches Anklicken im Algorithmus von Online-Marktplätzen wie etwa Amazon oder Willhaben bei Suchanfragen nach oben gepusht werden könnten, sei unter Umständen für die jeweiligen Händler, die derartige Leistungen in Anspruch nehmen, mit weitreichenden Folgen zu rechnen. "Betreiber von Online-Marktplätzen, aber auch Preisvergleichsportale sind dazu verpflichtet, offenzulegen, ob bei Suchanfragen für höhere Rankings, wenn auch nur mittelbar, Zuwendungen geflossen sind. Sonst drohen massive Geldstrafen", sagt die Expertin für Wettbewerbs- und Immaterialgüterrecht. "Selbst wenn der Händler für bessere Rankings keine Zahlungen an Amazon direkt, sondern etwa an Nice Tech leistet, könnte dies bei mangelnder Offenlegung zur Sperre des eigenen Händler-Accounts führen, weil dadurch oft gegen Nutzungsrichtlinien der Online-Shopbetreiber verstoßen wird."

2. Was genau ist eigentlich ein Pyramidenspiel? Und ist ein Schneeballsystem dasselbe?
ANTWORT: Beide Systeme halten die Kunden in erster Linie dazu an, dem System neue Mitglieder zuzuführen, von deren wirtschaftlichem Ergebnis sie in weiterer Folge auch profitieren können sollen. Daneben sollen die Kunden für gewöhnlich auch am Absatz der vom Unternehmen vertriebenen Produkte oder Dienstleistungen – etwa durch Provisionen – partizipieren können. "Bei einem Schneeballsystem tritt der Kunde aber nur als Vermittler zwischen dem Unternehmen und den neuen Kunden auf. Diese schließen eigene gleichartige Verträge mit dem veranstaltenden Unternehmen ab", erklärt die Rechtsanwältin. Beim Pyramidensystem hingegen sei der Kunde aufgefordert, selbst gleichartige Verträge mit möglichst vielen neuen Mitgliedern abzuschließen. "Diese sollen dann wiederum Verträge mit weiteren Mitgliedern abschließen. So entsteht eben die namensgebende Pyramide."

3. Was sagt das Gesetz zu Pyramiden- und Schneeballsystemen?
ANTWORT: Personen bzw. Unternehmen, die derartige Systeme betreiben, verbreiten oder fördern, machen sich gerichtlich strafbar, und es drohen Freiheitsstrafen von bis zu drei Jahren, wie Fank betont. Außerdem sei teilweise mit horrenden Verwaltungsstrafen zu rechnen. "Das betrifft aber nicht die einfachen Teilnehmer solcher Systeme, da diese durch die Strafbestimmungen gerade geschützt werden sollen." Auf die Betreiber solcher Systeme können, so die Juristin, auch Unterlassungsansprüche von Mitbewerbern, Interessenvertretungen wie der Arbeiter- oder Wirtschaftskammer oder dem VKI zukommen. "Gesetzlich verankert sind seit der Umsetzung der sogenannten Omnibus-Richtlinie der EU auch direkte Schadenersatzansprüche der geschädigten Verbraucher gegen die Betreiber." Die geschlossenen Verträge seien zudem nichtig und die Kunden hätten Anspruch auf Rückzahlung der geleisteten Zahlungen. "Im Gegenzug hat man freilich auf die Lieferung der angebotenen Waren und Dienstleistungen zu verzichten und muss sich tatsächlich erhaltene Beträge anrechnen lassen."

4. Was macht diese Systeme so gefährlich?
ANTWORT: Wer sich darauf einlässt, geht ein hohes Risiko ein, weil nicht abschätzbar ist, wie hoch die Erfolgsaussichten wirklich sind. Meist tritt auch rasch eine Marktsättigung ein, und die im System vertriebenen Produkte oder Dienstleistungen finden keine neuen Abnehmer mehr. Derartige Systeme brechen in sich zusammen, sobald sich keine neuen Mitglieder finden lassen, die Geld zuschießen. Dann ist das Geld aber meist schon weg und die Initiatoren sind nicht greifbar.

5. Was kann man Verbrauchern raten?
ANTWORT: "Wenn man hohe Summen dafür bezahlen soll, um sich an einem Geschäftsmodell überhaupt beteiligen zu können, ohne dafür eine entsprechende Gegenleistung zu erhalten, und der Fokus zudem noch auf dem Zuführen neuer Mitglieder liegt, sollte man davon Abstand nehmen", sagt die Anwältin und ergänzt: "Wer schon Teil eines solchen Systems ist, sollte jedenfalls keine weiteren Einzahlungen mehr tätigen und – schon aus moralischen Gründen – keine neuen Mitglieder anwerben."