Es waren turbulente Szenen auf der VW-Hauptversammlung: Vertreter einer Aktionisten-Gruppe riefen während der Rede von Konzernchef Oliver Blume Parolen und hielten Transparente hoch. Auf einem Plakat hieß es: "Uigurische Zwangsarbeit bei VW beenden." Eine Person versuchte während der Hauptversammlung eine Torte auf Aufsichtsratsmitglied Wolfgang Porsche zu werfen, der am Mittwoch seinen 80. Geburtstag feierte.
Der Cousin des 2019 verstorbenen Firmenpatriarchen Ferdinand Piëch ist Aufsichtsratschef der Familienholding Porsche SE, die die Mehrheit an Volkswagen hält. Die Demonstranten wurden von Mitarbeitern eines Sicherheitsdienstes aus dem Saal im Berliner City-Cube geführt, in dem die Aktionärsversammlung stattfand. Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch forderte die Protestierenden mehrfach auf, Störungen zu unterlassen. Bei dem Tortenwurf auf Porsche erschrak er zunächst, setzte seine Einführungsrede zu Anfang der Hauptversammlung danach aber äußerlich unbeeindruckt weiter. Auch Vorstandschef Oliver Blume, der sich den Aktionären der Hauptversammlung stellte, ging nicht auf die Forderungen der Demonstranten ein.
In einer Stellungnahme reagierte der Autobauer verärgert auf die massive Störung seiner Hauptversammlung. Friedliche Proteste seien ein demokratisches Mittel der freien Meinungsäußerung. Die Beschädigung von fremdem Eigentum und der Eingriff in die Rechte anderer sowie die mögliche Gefährdung der Gesundheit von Beteiligten stehe in Widerspruch dazu. Zugleich erneuerte Volkswagen seine Bereitschaft zum konstruktiven Dialog mit seinen Kritikern. Aktionärstreffen des Autokonzerns waren in den vergangenen Jahren wiederholt Ziel von Protesten. So heftig wie diesmal waren die Störungen aber selten.
Vorwurf: "Zu viele Autos verkauft"
Auch vor dem City-Cube gab es Proteste. Die Polizei verhinderte den Versuch von Vertretern der Gruppe "Scientist Rebellion", sich auf dem Platz vor dem Veranstaltungsort im Berliner Westend festzukleben. In einem Flugblatt warf die Initiative dem Konzern vor, "zu viele Autos" zu verkaufen. Der Ausstoß des Klimagifts CO2 durch den Transportsektor habe ein bedrohliches Ausmaß angenommen. VW könne durch ein Umschwenken der Produktion hin zu Zügen und Schieneninfrastruktur positiv zur Verkehrswende beitragen. Vertreter der Gruppe "Letzte Generation", die durch zahlreiche Klebeaktionen auf Straßen bekannt ist, blockierten den Verkehr zum Ort der Aktionärsversammlung.
Dort protestierten auch Vertreter der uigurischen Minderheit in China. Bei der vom Weltkongress der Uiguren organisierten Aktion wurden Transparente gezeigt, auf denen der chinesischen Regierung Menschenrechtsverstöße vorgeworfen wurden. Der Dachverband der Kritischen Aktionäre hat sich des Themas angenommen und einen Antrag gegen die Entlastung des VW-Vorstands gestellt. Volkswagen betreibt ein Werk in der chinesischen Uiguren-Provinz Xinjiang, aus der es Vorwürfe wegen Verbrechens gegen die Menschlichkeit gibt. Der Konzern hat mehrfach erklärt, nicht an Menschenrechtsverletzungen beteiligt zu sein.
Blume, der im vergangenen September Herbert Diess an der Konzernspitze abgelöst hatte, erläuterte den Aktionären seine Strategie für die nächsten Jahre. Wegen der Proteste traten die Aussagen jedoch in den Hintergrund. Kritik von Aktionärsvertretern richtete sich unter anderem auf die niedrige Bewertung von Volkswagen an der Börse und die Doppelrolle von Blume als Chef des börsennotierten Sportwagenbauers Porsche AG.